Totenkult: 60 kopflose Skelette in Vanuatu gefunden

Die 60 Skelette ohne Kopf, die jetzt in Vanuatu (Ozeanien) gefunden wurden, geben Aufschluss über die Entstehung von Totenkulten, die vor 3000 Jahren gepflegt wurden, von denen aber auch Traditionsreste bis heute nachweisbar sind
Stavanger (Norwegen) - Ohne Kopf waren 60 von 71 Personen beerdigt worden, deren sterblichen Überreste norwegische Archäologen jetzt in 3000 Jahre alten Grabstätten auf dem Vanuatu-Archipel im Pazifischen Ozean entdeckten. Doch waren diese Individuen vermutlich keine Menschenopfer gewesen - sie waren schon tot, als ihnen der Kopf abgetrennt wurde, sagen die Forscher. Ihre Kopflosigkeit gebe vielmehr Aufschluss über einen Totenkult der ganz anderen Art.

"Dies ist eine bahnbrechende Entdeckung, da es sich hier um die ältesten und größten Skelettfunde überhaupt im Pazifischen Ozean handelt", erklärt Mads Ravn vom Archäologie-Museum der Universitet i Stavanger. "Größere Begräbnisstätten, die weiter östlich gefunden wurden, sind sehr viel jünger."

Scheinbar behandelten die Hinterbliebenen ihre Verstorbenen nicht besonders pietätvoll. Es wurden nicht nur die Schädel abgetrennt, sondern manchmal auch Arme und Beine gebrochen. Doch der Schein der Pietätlosigkeit trügt. Die Forscher vermuten, dass die Leichen zunächst bis zur Verwesung über der Erde liegen gelassen und erst die Skelette bestattet wurden. Dies habe aber nicht unbedingt etwas mit mangelnder Achtung vor den Toten zu tun. "Die Art, wie diese Menschen bestattet wurden, zeugt von einem Körperkonzept, das sich grundlegend von dem unterscheidet, das in Europa seit 5000 Jahren nachweisbar ist", erläutert Ravn. "Es gab keine scharfe Trennung zwischen Leben und Tod. Die Toten nahmen weiterhin am gegenwärtigen Geschehen teil. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es auf Bali und anderen Pazifik-Inseln üblich, dass die Hinterbliebenen die Schädel ihrer Ahnen bei sich im Haus aufbewahrten." Dies könnte die Erklärung für die Kopflosigkeit der Skelette sein: Es geht also nicht um Missachtung, sondern - im Gegenteil - um Hochachtung. Die Toten erhielten auch kunstvoll gearbeitete Grabbeigaben in Form von Keramikgeschirr.

Der Staat Vanuatu besteht aus 83 Inseln, die etwa 1700 Kilometer östlich von Australien liegen. Seine ersten Bewohner kamen wahrscheinlich von Taiwan und den Philippinen und legten den Weg mit Hilfe von Segelbooten zurück. Möglicherweise vermischten sich die asiatisch aussehenden ersten Siedler mit den dunkelhäutigeren Melanesiern, die später auf diesen Archipel kamen. Der Grund, überhaupt die weite Seereise von Taiwan oder den Philippinen zu wagen, war vermutlich eine Überpopulation auf den Heimatinseln. Ein Erbrecht, das nur dem Erstgeborenen den Besitz überließ, mag ein Übriges getan haben, um junge Leute zu veranlassen, sich neues Land zu suchen.

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Quelle: "Sixty headless skeletons -- 3,000 years old -- discovered in Pacific Ocean archipelago", The University of Stavanger (2009, December 21).


 

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