Superheld im Videospiel - hilfsbereit im echten Leben

Übermenschliche Fähigkeiten in der virtuellen Welt können das soziale Verhalten in der Realität positiv beeinflussen
Ein Junge läuft durch die den Testteilnehmern gezeigte virtuelle Stadt
Ein Junge läuft durch die den Testteilnehmern gezeigte virtuelle Stadt
© 2013 Rosenberg et al., Plos One
Stanford (USA) - Mit der Frage, ob und wie Videospiele Gewaltbereitschaft und Aggressionen fördern, haben sich bereits zahlreiche Studien befasst. Doch inwiefern das Agieren in der künstlichen Realität einen positiven Einfluss auf den Spielenden nehmen kann, wurde bislang kaum untersucht. Eine Studie amerikanischer Forscher beleuchtet nun diesen Punkt und kommt zu Ergebnissen, die den Blick auf Videospiele nachhaltig verändern könnten. Spiele, die das soziale Verhalten fördern, begünstigen auch das mitmenschliche Verhalten in der Realität, lautet die Erkenntnis, die die Autoren im Fachblatt „Plos One“ erläutern. Damit ist bewiesen, dass Superheldeneigenschaften nicht nur bei Comicfiguren ein hilfsbereites und aufopferndes Verhalten fördern.

„Unsere Untersuchungen zeigen den Einfluss, den in einer virtuellen Realität gemachte Erfahrungen auch in der realen physischen Welt auf das soziale Verhalten haben“, sagt Robin Rosenberg von der Standford University. In einer umfassend entworfenen virtuellen Realität können Menschen in die Haut eines künstlichen Stellvertreters schlüpfen und diese Figur als realistisch empfinden, obwohl sie sich vom wirklichen Selbst unterscheidet, so die Grundannahme Rosenbergs und seiner Kollegen. Der jeweilige Avatar, also die virtuelle Persönlichkeit, kann dabei durchaus von der wirklichen Person abweichen. Wie frühere Studien bereits nachgewiesen haben, funktioniert die sogenannte „Illusion vom Körpertransfer“ selbst dann, wenn sich das Geschlecht von Avatar und realer Person unterscheiden.

Um zu untersuchen, wie sich die Fähigkeiten des jeweiligen Avatars auf die Wirklichkeit auswirken, platzierten die Forscher um Rosenberg zwei Gruppen von Probanden in einer künstlich entworfenen Umgebung. Während ein Teil der insgesamt 60 Studienteilnehmer die Fähigkeit zu fliegen besaß, befand sich die andere Hälfte der Testpersonen als Passagier in einem Hubschrauber. Die Illusion der künstlichen Umgebung erzeugten die Wissenschaftler über einen Helm, dessen Display eine dreidimensionale Sicht in einem Blickfeld von 111 Grad erzeugte. Weitere sensorische Modalitäten wie virtuelle Geräusche und niederfrequente Bassgeräusche, die den Boden unter den Füßen der Probanden zum Schwingen brachten, verstärkten zusätzlich die Illusion einer authentischen Umgebung.

Jeder Teilnehmer erhielt während des Versuchs entweder die Aufgabe, ein vermisstes zuckerkrankes Kind zu finden und ihm so das Leben zu retten oder eine Tour durch eine virtuelle Stadt zu unternehmen. Es gab folglich vier Testgruppen: die zur Hilfe aufgerufenen „Superhelden“ und Helikopter-Passagiere sowie die entweder im Hubschrauber sitzenden oder selbstständig fliegenden „Touristen“. Nach ihrem Aufenthalt in der virtuellen Welt wurden die Teilnehmer von ihrer Ausrüstung befreit. Der Versuchsleiter stieß dabei wie zufällig einen Becher mit Stiften um. Kameras nahmen währenddessen auf, ob und wie schnell die Testteilnehmer halfen, die Stifte aufzusammeln. Es zeigte sich, dass jene Teilnehmer, die in der künstlichen Realität flugfähig gewesen waren, im Vergleich zur zweiten Versuchsgruppe schneller halfen und mehr Stifte aufhoben. Dies galt gleichermaßen für jene, die als Retter des Kindes aufgetreten oder nur als Tourist virtuell unterwegs gewesen waren. Lediglich sechs Personen halfen gar nicht. Sie hatten alle zur Gruppe der im Hubschrauber Fliegenden gehört.

„Prosoziale Computer- oder Konsolenspiele können Empathie stärken. Eine ausgearbeitete virtuelle Realität scheint mindestens genauso geeignet, das Einfühlungsvermögen zu stärken, wie wirkliche Erfahrungen“, fasst Rosenberg die Ergebnisse zusammen. Er vermutet, dass die virtuellen Flugfähigkeiten im Bewusstsein mit Konzepten und Stereotypen von Superhelden verknüpft sind. „Wer im Comic außergewöhnliche Fähigkeiten hat, muss sich entscheiden, ob er sie für Gutes oder Schlechtes einsetzt“, so der Wissenschaftler. Ähnliches könnte – unbewusst – auch in den Köpfen der Versuchsteilnehmer geschehen sein. Die Wirklichkeit scheint hier die Comicwelt widerzuspiegeln: Wer sich mit seinen außergewöhnlichen Gaben für die gute Seite entscheidet, handelt heroischer und setzt sich mehr für andere ein.

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