Steinzeit-Piktogramme

Bereits vor etwa 60.000 Jahren verständigten sich die Menschen durch Symbole, deren Kenntnis sie offenbar immer weitergaben an die folgenden Generationen
Bordeaux (Frankreich) - 270 mit Einritzungen versehene Straußeneierschalen geben Zeugnis davon, dass in der ausgehenden Altsteinzeit die Menschen schon durch Symbole miteinander kommunizierten. Diese große Ansammlung von absichtlichen Mustern auf Oberflächen wie Straußeneierschalen ist einzigartig, schreibt ein internationales Forscherteam in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS). Die "Steinzeit-Piktogramme" stammen alle aus der Diepkloof-Höhle in Südafrika und sind zwischen 55.000 und 65.000 Jahren alt, wie Datierungen anhand der Erdschichten ergaben.

"Durch Symbole vermitteltes Verhalten ist in der Forschung zu einem der wenigen allgemein akzeptierten Merkmale für Modernität im Verhalten geworden", schreibt das Team um Jean-Pierre Texier vom Centre National de la Recherche Scientifique an der Université de Bordeaux. "Symbolische Praktiken sind definiert durch soziale Konventionen und können unterschiedliche archäologische Formen annehmen. Dabei variieren sie im Material, das für die Übermittlung genutzt wird. In allen Fällen erfordern diese symbolischen Praktiken eine Anlehnung an die Regeln einer Gemeinschaft. Dass sich diese Praktiken wiederholen und einem bestimmten Muster folgen, sind die Schlüsselelemente für das Entstehen einer Tradition."

Unbekannt ist die Bedeutung dessen, was die Menschen in der Zeit der Mittleren Afrikanischen Steinzeit - in Europa der ausgehenden Altsteinzeit entsprechend - einander durch die Striche, schraffierten Flächen und Bänder auf den Straußeneierschalen mitteilten. Was Texier und seine Kollegen annehmen lässt, dass es sich hier überhaupt um symbolische Praktiken handelt, ist die Begrenztheit der Vorkommnisse auf einen bestimmten Ort und eine eine bestimmte Zeitspanne. Hinzu kommt die relative Einheitlichkeit der Muster. "Das am häufigsten eingeritzte Motiv bestand aus zwei langen parallelen Linien, die in einem etwa rechten Winkel von kürzeren Linien unterbrochen wurden, die zusammen ein schraffiertes Band bildeten." In der Diepkloof-Höhle wird seit den 1970er Jahren zur geologischen Schichtenfolge der Mittleren Afrikanischen Steinzeit geforscht. Die Straußeneierschalen mit ihren Einritzungen sind erst ab einer bestimmten Schicht im Boden nachweisbar, und ihr Vorkommen endet auch nach mehren Schichten - und einigen tausend Jahren später - wieder. Praktisch genutzt wurden die Straußeneierschalen vermutlich als Trinkbehältnisse, wie es auch heute noch von Jäger- und Sammler-Kulturen in der Kalahari bekannt ist. "Diese Objekte wurden täglich genutzt, gepflegt und waren Elemente eines komplexen sozialen Lebens. Aus diesem Grund bilden die Straußeneierschalen eine ideale Oberfläche für eine informative Kennzeichnung, zum Beispiel die der Gruppenidentifikation", schreiben die Autoren der Studie.

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Quelle: "A Howiesons Poort tradition of engraving ostrich eggshell containers dated to 60,000 years ago at Diepkloof Rock Shelter, South Africa", Pierre-Jean Texier, Christine Verna et al.; PNAS 1. März 2010


 

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