Schon Lucy benutzte Werkzeug für die Fleischbearbeitung

Die Australopithecinen vor 3,4 Millionen Jahren verwendeten offenbar schon Steinwerkzeuge, um Fleisch von den Knochen erlegter oder aufgefundener Tiere zu schaben
Diese beiden Kerben belegen die ersten Metzger-Griffe der Menschheit
Diese beiden Kerben belegen die ersten Metzger-Griffe der Menschheit
© Dikika Research Project
Leipzig /San Francisco (USA) - Bereits die ersten Vorläufer des Menschen, die Australopithecinen, nutzten offenbar Werkzeuge, um besser an das Fleisch und das Knochenmark erlegter oder aufgefundener Tiere zu gelangen. Zu diesem Schluss kommen deutsche und amerikanische Forscher. In Dikika in Äthiopien haben sie, wie sie im Wissenschaftsmagazin "Nature" darlegen, einige 3,4 Millionen Jahre alte Knochen gefunden, die eindeutige Schnitt- und Schlagspuren von Steinwerkzeugen trugen. Damals lebten die Australopithecinen, die durch den Fund eines fast vollständigen weiblichen Skeletts bekannt wurden, das den Namen "Lucy" erhielt. Durch die entdeckten Bearbeitungsspuren liegt der früheste nachweisbare Werkzeuggebrauch um fast eine Million Jahre weiter in der Vergangenheit.

"Diese Entdeckung verschiebt den bisher bekannten Zeitpunkt erheblich nach vorne, ab dem unsere Vorfahren die Spielregeln komplett änderten", sagt der Paläoanthropologe Zeresenay Alemseged von der Kalifornischen Akademie der Wissenschaft in San Francisco. Gemeinsam mit Kollegen vom Leipziger Max-Planck-Institut hatte sein Team die Funde analysiert. "Der Werkzeuggebrauch hat die Interaktion unserer Vorfahren mit der Natur maßgeblich verändert, indem er den Verzehr neuer Nahrungsmittel und die Erschließung neuer Territorien ermöglichte. Er führte auch zur Herstellung neuer Werkzeuge - den Vorläufern von hochentwickelten Technologien wie Flugzeug, Magnetresonanztomographie und iPhone".

Bislang stammte der älteste Beweis für das Schlachten von Tieren mithilfe von Steinwerkzeugen aus Bouri in Äthiopien: Dort wurden mehrere Knochen mit Schnittspuren gefunden, deren Alter auf 2,5 Millionen Jahre datiert wurde. Die ältesten bekannten Steinwerkzeuge sind rund 2,6 bis 2,5 Millionen Jahre alt und wurden in der Nähe von Gona in Äthiopien gefunden.

Der Fundort und das Alter der vom Werkzeuggebrauch gezeichneten Knochen in Dikika in Äthiopien lassen keinen Zweifel daran, dass Vertreter der Art Australopithecus afarensis bereits Fleisch verzehrten. "Die einzige Hominidenart, die es in diesem Teil Afrikas zu dieser Zeit gab, ist Australopithecus afarensis. Deshalb denken wir, dass die Schnittspuren, die wir an den Knochen entdeckt haben, von dieser Art verursacht worden sind", sagt Alemseged. Die in Dikika gefundenen Knochen stammen von großen Säugetieren, vermutlich von einer Ziege und einer Kuh. Die Fragmente der Rippen sowie des Oberschenkelschaftes sind gut erhalten, die Schnitt-, Schab- und Schlagspuren darauf klar zu erkennen. Mikroskopische Analysen zeigten, dass diese Spuren vor der Fossilisierung des Knochens verursacht worden waren. Dadurch konnten die Forscher ausschließen, dass die Beschädigungen erst kürzlich verursacht wurden.

Obwohl die Australopithecinen aus Dikika scharfkantige Steine benutzten, um Fleisch von den Knochen zu schneiden, kann man daraus unmöglich schließen, dass sie diese Werkzeuge selbst hergestellt haben. "Die einzigen Steine, die wir in diesen alten Ablagerungen in Dikika gefunden haben, sind für die Werkzeugherstellung größtenteils zu klein", sagt Shannon McPherron vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Paläontologie in Leipzig. "Die an diesem Ort lebenden Hominiden trugen also wahrscheinlich Steinwerkzeuge bei sich, die aus besserem Rohmaterial von einem anderen Ort stammten". Deshalb will der Forscher nach Dikika zurückzukehren, um dort Hinweise zu finden, "ob unsere Vorfahren zu diesem frühen Zeitpunkt Werkzeug nicht nur benutzten, sondern auch selbst herstellten."

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Evidence for stone-tool-assisted consumption of animal tissues before 3.39 million years ago at Dikika, Ethiopia", Shannon P. McPherron, Zeresenay Alemseged, Curtis W. Marean, Jonathan G. Wynn, Denné Reed, Denis Geraads, René Bobe & Hamdallah A. Béarat; Nature, 12. Juli 2010


 

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