Ritter hatten es schwer

Erstmals gemessen: Die Rüstung im Kampf hinderte die Beweglichkeit und kostete wesentlich mehr Kraft als vergleichbare Lasten
Laufband statt Schlachtfeld - der Energieaufwand der geharnischten Probanden soll dem eines mittelalterlichen Ritters vergleichbar sein.
Laufband statt Schlachtfeld - der Energieaufwand der geharnischten Probanden soll dem eines mittelalterlichen Ritters vergleichbar sein.
© University of Leeds
Leeds (Großbritannien) - Ein Ritter in voller Rüstung verbrauchte im Mittelalter rund doppelt soviel Energie wie ein ungepanzerter Gegner. Das konnte ein internationales Forscherteam jetzt erstmals in Experimenten auf dem Laufband messen. Zudem machte die meist 30 bis 50 Kilogramm schwere Rüstung ihre Träger deutlich unbeweglicher. Trotz der Schutzwirkung gegen Pfeile und Schwerter dürften diese Einschränkungen manchen Kampf zu ungunsten der Ritter entschieden haben, vermuten die Forscher. Ihre praktischen Ergebnisse präsentieren sie im Fachblatt "Proceedings of the Royal Society B": Sie sollen Historikern helfen, die Taktiken und Ergebnisse von Schlachten im mittelalterlichen Europa besser zu verstehen. Die verlorene Schlacht von Agincourt etwa, in der schwer gerüstete französische Ritter im Jahr 1415 gegen leichtere englische Bogenschützen kämpften, wurde maßgeblich der Erschöpfung der Ritter zugeschrieben. Das Kampfgelände war vom Pflügen, vorangegangenen Reiterkämpfen und nächtlichem Regen stark aufgewühlt.

"Wir stellten fest, dass das Tragen einer solchen Last, über den Körper verteilt, viel mehr Energie erfordert, als wenn man das gleiche Gewicht in einem Rucksack trüge", sagt Graham Askew, Professor für biologische Wissenschaften an der University of Leeds. "Das liegt daran, dass in einer Rüstung die Arme und Beine mit Gewicht belastet sind, so dass es mehr Anstrengung braucht, sie mit jedem Schritt voranzuschwingen. Wenn man einen Rucksack trägt, ist das ganze Gewicht an einer Stelle und das Schwingen der Gliedmaßen ist leichter." Gemeinsam mit Experten der königlich britischen Waffenkammer, der Royal Armouries, ebenfalls in Leeds, hatte Askews Team erstmals die körperliche Anstrengung in einer Rüstung genau gemessen.

Die vier Freiwilligen trugen exakte Nachbildungen von Rüstungstypen, wie sie im Europa des 15. Jahrhunderts üblich waren: in England um 1470 -1480, in Mailand zwischen Mitte und Ende des 15. Jahrhunderts und im deutschen gotischen Stil zum Ende desselben Jahrhunderts. Dann mussten die Probanden - im Schnitt 1,75 Meter groß wie mittelalterliche Ritter - auf einem Laufband gehen und rennen und ihre Beweglichkeit beweisen. Dabei registrierte ein Sauerstoffmessgerät samt Atemmaske den Energieverbrauch bei den einzelnen Übungen.

Die Ergebnisse waren eindeutig: Mit Rüstung war der Aufwand beim Gehen 2,1 bis 2,3 mal höher und beim Laufen 1,9 mal höher als ohne Rüstung. Außerdem atmeten die Teilnehmer deutlich flacher und schneller, weil die Metallhülle dem Brustkorb weniger Raum zum Ausdehnen gab, so dass die Lunge weniger Volumen aufnehmen konnte. "Es mag den Kämpfern ein Gefühl von Sicherheit gegeben haben, in einer engen Hülle aus Stahl zu stecken", kommentiert Ko-Autor Federico Fermenti von der University of Auckland, "Doch sobald man sich in mittelalterlicher Rüstung zu bewegen beginnt, fühlt man sich atemlos. Und das dürfte wahrscheinlich den Widerstand eines Soldaten im Kampf begrenzen."

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Quelle: "Limitations imposed by wearing armour on Medieval soldiers’ locomotor performance", Graham N. Askew, Federico Formenti & Alberto E. Minetti; Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 20.7.2011
doi:10.1098/rspb.2011.0816


 

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