Redewendungen in der rechten Hirnhälfte

Für die Verarbeitung von Redewendungen braucht das Gehirn beide Hemisphären, vor allem aber die rechte. Insgesamt dauert es etwas länger, eine Redewendung zu verarbeiten als eine buchstäbliche Bedeutung
Mailand (Italien) - Macht es für die Verarbeitungsleistung des Gehirns einen Unterschied, ob jemand "mit Samthandschuhen angefasst wird" oder ob jemand "sehr freundlich behandelt wird"? Ja, sagt jetzt ein italienisches Forscherteam: Die Verarbeitung der Redewendung dauert etwas länger und spielt sich vor allem in der rechten Hirnhälfte ab. Dies entdeckten die Wissenschaftler beim Beobachten der Gehirnaktivität von elf Versuchspersonen, welche diverse Testsätze lesen und verstehen sollten. Details der Untersuchung veröffentlicht die Fachzeitschrift "BMC Neuroscience".

Insgesamt 360 italienische Testsätze, von denen 180 Sätze nur eine buchstäbliche Bedeutung enthielten und die anderen 180 Sätze jeweils mit einer Redewendung, einer Metapher oder sonst einer rhetorischen Figur konstruiert waren, präsentierte das Team um Alice Proverbio von der Università di Milano Bicocca ihren Versuchspersonen. Alle Sätze begannen nicht-idiomatisch mit Phrasen wie beispielsweise "Man behandelte ihn...", während im zweiten Teil eine Redewendung oder eine neutrale Formulierung folgte: "... wie ein rohes Ei" oder "... sehr freundlich". Dazu gab es jeweils einzelne Wörter, die entweder eine Assoziation zu dem präsentierten Satz anboten oder von ihrer Bedeutung her gar nichts mit den Sätzen zu tun hatten. So wurde etwa der Satz "La morte di quel buon uomo mi spezzò il cuore" ('Der Tod dieses guten Mannes brach mir das Herz') mit dem Wort "tristezza" ('Traurigkeit') und mit dem Wort "indagine" ('Ermittlung') dargeboten. Die Versuchspersonen sollten bei den dargebotenen Einzelwörtern jeweils einen Knopf drücken, um auszudrücken, ob das Wort eine Beziehung zum Satz haben könnte oder nicht. Im genannten Beispiel gab es eine Assoziation von "tristezza" zu dem genannten Satz, aber nicht von "indagine". Die Forscher maßen die Zeit, die es jeweils dauerte, bis die Versuchspersonen auf die Wörter reagierten.

Wenn der Satz eine Redewendung oder Ähnliches enthielt, dauerte es im Schnitt 22 Millisekunden länger zu entscheiden, ob das Einzelwort eine Assoziation zum Satz darstellte oder nicht: Bei Sätzen mit buchstäblicher Bedeutung betrug die Reaktionszeit 538 Millisekunden, bei Sätzen mit einer Redewendung 560 Millisekunden. Überdies konnten die Forscher feststellen, dass die rechte Hemisphäre des Gehirns für die Verarbeitung der Redewendungen besonders wichtig ist, wenngleich bei der Verarbeitung von Sätzen beide Gehirnhälften beteiligt sind. Bei Redewendungen sind der rechte mittlere Temporalgyrus und der rechte mittlere Frontalgyrus besonders aktiv.

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Quelle: "The role of left and right hemispheres in the comprehension of idiomatic language: an electrical neuroimaging study", Alice M Proverbio, Nicola Crotti, Alberto Zani , Roberta Adorni; BMC Neuroscience (im Druck)


 

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