Multiple Sklerose: Direkter Angriff von Immunzellen

Bildaufnahmen deutscher Forscher dokumentieren, wie fehlgeleitete Immunzellen Gehirnzellen attackieren
Immunzellen (rot) attackieren Nervenzellen von Mäusen.
Immunzellen (rot) attackieren Nervenzellen von Mäusen.
© Volker Siffrin / MDC
Mainz / Berlin - Bei der Multiplen Sklerose (MS) werden nicht nur die Schutzhüllen um die Nervenfortsätze zerstört, sondern auch die Nervenzellen selbst geschädigt. Wie es dazu kommt, haben deutsche Forscher jetzt erstmals nachgewiesen. Bei Mäusen, die an einer der MS vergleichbaren Krankheit litten, zeigte der Einsatz spezieller Methoden der Lebendmikroskopie, dass bestimmte Immunzellen Nervenzellen im Gehirn angreifen, indem sie einen direkten Kontakt zu ihnen herstellen. Dadurch steigt der Kalziumspiegel im Zellinnern an. Der so verursachte anhaltende Erregungszustand lässt die betroffenen Neuronen schließlich absterben. Diese Entdeckung eröffnet die Möglichkeit neuer Therapien für die bisher unheilbare Krankheit, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt "Immunology".

"Wir haben gezeigt, dass die Schäden an den Neuronen durch die Immunzellen sehr früh auftreten und dass diese Schädigungen möglicherweise auch behandelt werden können", sagt Frauke Zipp von der Klinik für Neurologie der Universität Mainz. Zusammen mit Forschern des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin und weiteren Kollegen führte ihre Arbeitsgruppe Experimente mit Mäusen durch, die an experimenteller autoimmuner Enzephalomyelitis litten, einer der MS ähnlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems. Dabei ermöglichte der Einsatz der Zwei-Photonen-Mikroskopie und anderer bildgebender Techniken Aufnahmen im lebenden Tier.

Die Bilder zeigten, dass im Verlauf der Krankheit spezielle Immunzellen, so genannte Th17-Zellen, direkten Kontakt zu Gehirnzellen ausbildeten. Das erzeugte einen längere Zeit andauernden Anstieg der Kalziumkonzentration im Zellinnern und führte zum Absterben der Nervenzellen. Bisher hatte man eher vermutet, dass dieser Zelltod lediglich eine Folge der zuvor zerstörten Myelinschutzhüllen wäre, die die Zellfortsätze umgibt. Der Verlust von Nervenzellen tritt bereits im Frühstadium der Krankheit auf und ließ sich im Tierversuch durch Medikamente verhindern, die gegen erhöhte Erregbarkeitszustände wirksam sind. Ob solche Medikamente für eine Behandlung der MS geeignet sind, so die Forscher, werde sich aber erst in einigen Jahren erweisen.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "In vivo imaging of partially reversible Th17 cell-induced neuronal dysfunction in the course of encephalomyelitis", Volker Siffrin et al.; Immunity, Vol. 33, p. 424, DOI 10.1016/j.immuni.2010.08.018


 

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