Mit Mathematik die Indus-Schrift knacken
"Das statistische Modell liefert Einsichten in die zugrunde liegenden grammatischen Strukturen der Indus-Schrift", erklärt Rajesh Rao von der University of Washington. "Solch ein Modell kann sich als wertvoll bei der Entzifferung erweisen, da jede Bedeutung, die einem Zeichen zugeschrieben wird, einen Sinn ergeben muss im Zusammenhang mit anderen Zeichen, die davor oder dahinter stehen." Für ihre Forschung nutzten die Wissenschaftler das so genannte Markov-Modell, benannt nach dem russischen Mathematiker Andrej Markov (1856-1922). Berechnungen zeigen, dass die Reihenfolge der Zeichen bedeutsam ist. Mithilfe des Modells kann nämlich gezeigt werden: Nimmt man ein Zeichen aus einer Sequenz und verändert seine Position, dann ergibt sich eine neue Sequenz, die eine geringere Wahrscheinlichkeit hat, zur Indus-Sprache zu gehören.
Entdeckt wurde die Indus-Kultur bei Grabungen im Pandschab bereits 1875. Dabei fanden die Archäologen auch Siegel und Amulette mit den rätselhaften Zeichen. Das Hauptproblem bei der Entschlüsselung der Zeichen ist, dass sie sich ausschließlich auf kleinen Gegenständen wie Siegeln und Amuletten befinden. Es gibt also nicht, wie etwa bei den Keilschriften, Tafeln mit längeren Texten. Außerdem hat sich bisher für die Indus-Schrift kein "Stein von Rosette" gefunden, auf dem ein Text der Indus-Schrift auch in einer bekannten Sprache, wie etwa Sanskrit, übersetzt wäre. Die ägyptischen Hieroglyphen hingegen verdanken ihre Entzifferung dem Fund des Steins von Rosette, auf dem sich neben Hieroglyphen auch ihre griechische Übersetzung befand.
Dass es sich bei der Indus-Schrift um Schrift und nicht um Symbole, etwa kultischer Art, handelt, hatte das Team um Rajesh Rao im Frühjahr 2009 nachgewiesen. Hierzu hatten die Wissenschaftler die Zeugnisse der Indus-Schrift mit nicht-sprachlichen Zeichenketten wie der DNA oder bakteriellen Proteinsequenzen und Zeichenketten aus alten Sprachen verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Zeichen der Indus-Schrift eine ähnliche Regelmäßigkeit aufwiesen wie die natürlichen Sprachen.