Machtlosigkeit - der Keim für Aberglauben und Verschwörungstheorien

"Menschen sehen nicht vorhandene Muster in allen Arten von Daten, sie sehen Trends in Aktienmärkten oder Gesichter in unbelebten Zusammensetzungen", erklärt Jennifer Whitson von der University of Texas. "Oder sie meinen, Verschwörungen in ihrem Bekanntenkreis zu erkennen. Das alles legt die Vermutung nahe, dass es ein tiefsitzendes Bedürfnis nach Ordnung gibt. Und das kann, wenn jemand wenig Kontrollmöglichkeiten hat, auch eine eingebildete Ordnung sein." Whitson und ihr Kollege Adam Galinsky von der Northwestern University hatten ihren Versuchspersonen Monitorbilder mit Punktrastern gezeigt. Auf einigen Bildern war außer den Punkten nichts Konkretes abgebildet. Auf anderen Bildern befand sich hinter den Punkten jeweils ein konkretes Bildmotiv, das wegen der zahlreichen Punkte davor aber nur verschwommen erkennbar war. Die tatsächlichen Bilder wurden von den Versuchspersonen zu 95 Prozent korrekt identifiziert. Jene Versuchspersonen aber, von denen aus Vor-Tests bekannt war, dass sie wenig Kontrolle über ihr Leben hatten, sahen in 43 Prozent der reinen Punktraster-Bilder noch Bildmotive, die faktisch nicht vorhanden waren.
In einem weiteren Experiment sollten die Probanden eigene Erlebnisse zu Papier bringen, in denen sie entweder machtlos gewesen waren oder alles im Griff gehabt hatten. Danach lasen sie kurze Geschichten über Jemandes Erlebnisse im Berufsleben. Diese Geschichten wiesen zusätzliche Handlungselemente auf, die mit dem eigentlichen Handlungsstrang nichts zu tun hatten. Ein Protagonist in solch einer Geschichte trug beispielsweise auf einem Meeting eine Idee vor, die allgemein gutgeheißen wurde. Erwähnt wurde in der Geschichte aber auch, dass sich der Held zufällig drei Mal den Fuß gestoßen hatte, bevor er in die Besprechung ging. Die Versuchspersonen, die zuvor ein Erlebnis beschrieben hatten, in dem sie selbst keine Kontrolle gehabt hatten, sahen in den Fußstoßszenen der Kurzgeschichte ein klares Vorzeichen auf das darauf folgende Geschehen. Jene Probanden, die sich vorher schreibend an ein Erlebnis erinnert hatten, in dem sie die volle Kontrolle hatten, neigten deutlich seltener zu dieser Sichtweise. Dies deutet darauf hin, dass Menschen auch von ihrem Aberglauben abzubringen sind, wenn man dafür sorgt, dass sie sich auf ihre Kontrollmöglichkeiten besinnen können.