Kraft der Illusion: Kurztherapie gegen Spinnenphobie getestet

Tübingen - Wenn Spinnen nicht nur Ekel, sondern regelrechte Angstzustände auslösen, ist das Alltagsleben der Betroffenen meist empfindlich eingeschränkt. Schon spinnenähnliche Maserungen im Holz können dann Angst, Panik und Fluchtreflexe auslösen. Eine neuartige Kurzzeittherapie gegen die Spinnenphobie haben jetzt Tübinger Psychologen erfolgreich getestet. Binnen einer Woche führte die so genannte Konfrontationstherapie bereits zu deutlichen Verbesserungen, wenn auch noch nicht zur Heilung. Doch anders als bisher übliche Behandlungen arbeitet die Tübinger Konfrontationsmethode nicht mit echten Tieren, sondern allein mit der Vorstellungskraft der Patienten. Da Spinnenphobien vor allem bei Frauen auftreten, nehmen nur weibliche Probanden an der mehrjährigen Studie teil.

"Wir arbeiten nur mit Imagination, die Frauen müssen keine echten, lebenden Spinnen ansehen oder anfassen", erklärt Svenja Tan Thjen vom Psychologischen Institut der Universität Tübingen. Ihr Team hatte 60 Spinnenphobikerinnen ausgewählt, die weder rauchen noch Hormone oder Medikamente einnehmen. Grund dafür ist, dass in der Untersuchung auch zahlreiche physiologische Daten wie bestimmte Hormongehalte im Speichel erhoben werden. Im Auswahlverfahren wurde aber zunächst getestet, ob es sich bei der Spinnenangst der Freiwilligen tatsächlich um eine Phobie handelte, die das Leben stark einschränkt, oder eher nur um ein Unbehagen im Umgang mit den Achtbeinern.

Jede Teilnehmerin verbringt einzeln eine Woche am Psychologischen Institut. "Am ersten und am letzten Tag sind die Teilnehmerinnen jeweils den ganzen Tag im Labor. Während wir ihnen verschiedene Bilder zeigen, messen wir den Puls und die Hautleitfähigkeit, nehmen immer wieder Speichelproben, um zum Beispiel den Cortisolgehalt zu bestimmen." Diese Werte geben Aufschluss über körperliche Reaktionen wie Anspannung oder Angst. Außerdem geben die Studienteilnehmerinnen mithilfe von Fragebögen an, wie stark sie subjektiv ihr Angstempfinden einschätzen. In den fünf Tagen zwischen den Laboruntersuchungen findet täglich jeweils eine Stunde lang eine Kurzzeitintervention statt: Diese beginnt mit einem Entspannungstraining im bequemen Sessel. Wenn die Frauen entspannt sind, sollen sie sich eine handtellergroße Spinne vorstellen, die zunächst in fünf Meter Entfernung sitzt, sich dann nähert, auf den Fuß krabbelt, bis zum Knie und von dort ihren Weg zurück nimmt. "Für Laien klingt das harmlos, aber Phobiker wissen, dass eine solche Situation stark angstauslösend ist", sagt die Psychologin. "Die Angst muss bei einer Phobie kommen, damit sie auch wieder gehen kann - das ist ein schon lange bekannter verhaltenstherapeutischer Ansatz." Schon am letzten Tag der Therapiewoche lasse sich häufig eine Besserung des Angstempfindens feststellen, sagt Tan Tjhen. "Die Belastung sollte man dennoch nicht unterschätzen." Für vergleichende Kontrolluntersuchungen wurde ebenfalls eine Gruppe von 60 Frauen ausgesucht, deren Altersstruktur an die der Spinnenphobikerinnen angepasst ist.

Die Forscherin betont jedoch, dass die Spinnenphobikerinnen nach der einen Behandlungswoche nicht als geheilt gelten können. "Wir geben ihnen nur das Werkzeug an die Hand, um selbst weiterarbeiten zu können. Jede legt selbst fest, wie weit sie dann gehen will." Die zahlreichen Rückmeldungen zur Tübinger Therapie seien praktisch durchweg positiv. "Manche erzählen stolz, dass sie es geschafft haben, selbst ein Glas über eine Spinne zu stülpen und sie nach draußen zu befördern."

Tan Thjen warnt jedoch davor, völlig auf eigene Faust eine Konfrontationstherapie zu beginnen. "Die Konfrontation muss in einem geschützten Raum stattfinden. Der Phobiker muss Vertrauen haben, dass nichts Unerwartetes passiert", sagt sie. "Wer sich der Spinne mit Absicht aussetzt und dann doch fluchtartig den Raum verlässt, erreicht eher das Gegenteil." Ein misslungener Behandlungsversuch könne die Phobie sogar verstärken.

Universität Tübingen
Quelle: Universität Tübingen


 

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