Kalenderblatt 16.10: Geburt eines der letzten Universalgelehrten vor 300 Jahren

Der hierzulande fast vergessene Schweizer Albrecht von Haller war einer der letzten großen Universalgelehrten; er forschte über Medizin, Botanik und Mathematik und fand nebenbei auch noch Zeit zum Dichten
Albrecht von Haller 1708-1777
Albrecht von Haller 1708-1777
© Wikipedia / Public Domain
Es war ein Junge von schwacher Konstitution, der am 16. Oktober 1708 in Bern als Sohn eines angesehenen Juristen zur Welt kam. Da er ständig kränkelte, konnte er auch kaum öffentliche Schulen besuchen und hatte stattdessen bei einem Pfarrer Privatunterricht. Eigentlich hätte Albrecht Haller (das "von" kam später) deshalb auch Theologe werden sollen. Doch schon als 14Jähriger beschloss er, Medizin zu studieren. Schon mit 19 Jahren wurde er im niederländischen Leiden zum Doktor der Medizin promoviert. Die Medizin mit ihren Teildisziplinen Anatomie und Physiologie sollte ihn ein Leben lang beschäftigen, doch sie stillte seinen Wissensdurst nur zu einem Teil. 1728 reiste Haller zurück in seine Heimat und studierte an der Universität Basel höhere Mathematik. In den Sommerferien jenes Jahres bereiste er die Schweizer Alpenregionen. Die gewaltige Natur inspirierte ihn zu dem Gedicht "Die Alpen", das eines der ersten Werke deutschsprachiger Naturlyrik wurde und seine Zeitgenossen tief beeindruckte.

Als Literat griff Haller auch kritisch den Lebenswandel reicher Schweizer Bürger auf. Die nahmen ihm dies so übel, dass sie ihm die begehrte Stelle als Stadtarzt von Bern verbauten. 1736 erhielt er stattdessen einen Ruf als Professor für Anatomie, Chirurgie und Botanik an die damals gerade erst gegründete Universität Göttingen. Schweren Herzens verließ er seine Heimatstadt und folgte dem Ruf nach Norden, wo er schließlich 17 Jahre lang forschte und lehrte. In diese Zeit fiel eine seiner bedeutendsten Entdeckungen: Haller erkannte die unterschiedlichen Funktionen von Nerven und Muskeln. Die Reizbeantwortung, auch "Irritabilität" genannt, schrieb er den Muskeln zu, die Reizleitung oder auch "Sensibilität" den Nerven. 1753 veröffentlichte er seine Erkenntnisse in einem schmalen Büchlein mit dem Titel "De partibus corporis sensilibus et irritabilibus", das bereits zwei Jahre später auf Deutsch, Schwedisch, Französisch, Italienisch und Englisch erschien.

Haller war auch ein unermüdlicher Sammler von Wissen. Schon 1747 hatte er für seine Studenten ein 480 Seiten starkes Buch über den damaligen Stand der Physiologie herausgegeben, das noch nach seinem Tod im Jahre 1777 immer wieder neu aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. In späteren Lebensjahren veröffentlichte er Bibliografien - zum Teil kommentiert - zu den Themen Botanik, Anatomie, Chirurgie und Medizin. Insgesamt rund 54 000 Werke sind dabei durch seine Hände gegangen. Daneben war er auch immer als Literaturkritiker tätig. Diese immense Lesetätigkeit brachte ihm den Ruf ein, er würde selbst auf einem Pferd noch lesen.

Wie fast alle wissenschaftlich tätigen Menschen des 18. Jahrhunderts unterhielt auch Haller - der sich seit 1749 "von Haller" nennen durfte - eine umfangreiche Korrespondenz mit anderen Gelehrten. Über 12 000 Briefe hat er von gelehrten Kollegen bekommen. Da er sie vermutlich auch beantwortet hat, dürfte er selbst ebenfalls über 12 000 Briefe geschrieben haben. In Briefkontakt stand er unter anderem mit dem Pathologen Giovanni Battista Morgagni, dem Botaniker Carl von Linné und dem Altertumswissenschaftler Christian Gottlob Heyne.

Nach 17 Jahren in Göttingen war Hallers Heimweh übermächtig geworden. "Ich habe eine Schwäche für Bern, als wäre Bern eine Frau", schrieb er einmal an Charles Bonnet. 1753 ging er daher zurück in die Schweiz, obwohl es in seiner Heimatstadt Bern, wo er sich niederließ, nach wie vor keine für seinen Geist angemessenen Aufgaben gab. Doch jetzt wurden ihm immerhin Ämter angetragen, etwa der der Posten des Vorstehers des Waisenhauses (1755) oder die Direktorenstelle der Salzbergwerke von Roche (1758). In seiner "Freizeit" verfasste Haller in dieser Zeit sein medizinisches Hauptwerk "Elementa physiologiae corporis humani" in acht Bänden.

Während seiner gesamten Lebenszeit litt Haller unter den verschiedensten Krankheiten. Gegen Ende seines Lebens musste er seine Schmerzen mit Opium betäuben. Hinzu kam im Alter noch die Melancholie. "Das Alter ist einsam, meine meiste Freunde sind todt, eine neue Welt steigt empor, die ich nicht kenne", schrieb er 1774 an seinen Freund Eberhard Friedrich von Gemmingen. Am 12. Dezember 1777 starb Albrecht von Haller in Bern.

Eigene Recherche
Quelle: Eigener Bericht


 

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