Kalenderblatt 13. Mai 1710: Vor 300 Jahren wurde die Berliner Charité gegründet
Die Pest kam dann doch nicht bis Berlin, sondern "nur" bis in die Uckermark, und das vor dem "Spandowschen Tor" (Spandauer Tor) außerhalb der Stadt errichtete Lazarett wurde nun doch nicht für Pestkranke benötigt. Es wurde umfunktioniert zu einem "Spinnhaus", ein Armen- und Arbeitshaus für Arme, Bettler, nicht verheiratete Schwangere und Prostituierte.
Dennoch wurde hier schon früh etwas für Lehre und Forschung getan. Ab 1713 gab es für angehende Chirurgen - die nicht unbedingt studierte Ärzte waren, sondern oft genug Bader und Barbiere - und Hebammen ein "Anatomisches Theater", um an Leichen das eigene Handwerk zu verbessern. Am "Collegium Medico-Chirurgicum" wurden Militärärzte ausgebildet.
Friedrich Wilhelm I., der Nachfolger von Friedrich I., verfügte 1727 die Umwandlung des Lazaretts in ein Bürgerhospital. In einer Randbemerkung schrieb der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I.: "Es soll das Haus die Charité heißen", wodurch das Hospital überhaupt erst seinen Namen erhielt. Vielleicht hat sich Friedrich Wilhelm I. hierbei von der Bedeutung inspirieren lassen - 'charité' bedeutet 'Nächstenliebe, Barmherzigkeit', vielleicht wollte er auch die Verbindung zu einer anderen Charité herstellen. Denn in Paris gab es bereits seit 1635 ein Krankenhaus mit demselben Namen.
Von einer chirurgischen Abteilung, wie man sie heute kennt, konnte damals nicht die Rede sein. Ein Bruch konnte geschient werden, Gliedmaßen amputiert werden - natürlich ohne Betäubung -, aber Operationen an inneren Organen wie etwa eine Blinddarmoperation lagen noch in weiter Ferne.
1785 wurde schließlich ein Umbau begonnen, der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dauern sollte. Das alte Pesthaus wurde durch einen imposanten spätbarocken Bau ersetzt. Im 19. Jahrhundert begann schließlich das goldene Zeitalter für die Charité. Alles, was Rang und Namen in der Medizin hatte, wirkte hier: Rudolf Virchow, Hermann von Helmholtz, Robert Koch, Paul Langerhans, um nur einige zu nennen. Und acht spätere Nobelpreisträger begannen ihre wissenschaftliche Laufbahn an der Charité, unter anderem Werner Forßmann (1904-1979), der Erfinder des Herzkatheters.