Feines Fingerspitzengefühl

Mit schrumpfender Fingergröße wächst das Tastempfinden
Ontario (Kanada) - Warum Frauen häufig einen feineren Tastsinn haben als Männer, ist offenbar überraschend einfach zu erklären. Sie haben meist schlicht kleinere Finger - und je kleiner eine Fingerkuppe, desto feiner ist der Tastsinn. Das konnten kanadische Forscher zeigen, wie sie im "Journal of Neuroscience" berichten. Sie fanden zudem Anhaltspunkte dafür, warum zierlichere Fingerspitzen scharfsinniger sind: Auf kleineren Fingerkuppen ist es wahrscheinlicher, dass die Tastsinneszellen dichter gepackt sind, was den Tastsinn verfeinert.

"Neurowissenschaftler haben schon lange gewusst, dass manche Menschen einen besseren Tastsinn haben als andere, doch die Gründe für diese Unterschiede waren rätselhaft", erläutert Daniel Goldreich von der McMaster University in Ontario. "Unsere Entdeckung zeigt auf, dass ein wichtiger Faktor beim Tastsinn die Fingergröße ist." Bei hundert Studenten, 50 Frauen und 50 Männern, maßen Goldreich und seine Kollegen zunächst die Größe der Fingerspitze. Die Tastfähigkeiten der Probanden testeten sie, indem sie immer enger beieinander liegende Rillen auf eine Fingerspitze drückten.

Teilnehmer mit kleineren Fingern konnten dabei engere Rillen voneinander unterscheiden. Die Fähigkeiten der Teilnehmer ließen sich auch tatsächlich allein über die Größe der Fingerkuppe einschätzen - sie verbesserte sich mit sinkender Fingergröße. Das Geschlecht spielte im Grunde keine Rolle. Ein Mann und eine Frau mit gleich großen Fingern hatten im Schnitt auch ein vergleichbares Tastvermögen. Auf kleineren Fingerspitzen liegen die Rezeptoren für den Tastsinn offenbar enger beieinander, stellten die Wissenschaftler weiterhin fest. Bestimmte Druckrezeptoren, die so genannten Merkel-Zellen, sind um die Schweißporen gruppiert. Wie sie zeigen konnten befinden sich die Schweißporen auf kleineren Fingern dichter nebeneinander. Daher sind auch diese Mechanorezeptoren dichter gepackt, vermuten die Forscher.

"Frühere Studien aus anderen Laboren haben nahe gelegt, dass Individuen des gleichen Alters auch etwa die gleiche Menge an Vibrationsrezeptoren in ihren Fingerspitzen haben", sagt Goldreich. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass dieselbe Zuordnung zwischen Fingergröße und Rezeptoranordnung auch bei Merkel-Zellen auftritt." Ob die Zahl dieser Sinnesrezeptoren bei Erwachsenen tatsächlich stabil ist und sie der Tastsinn bei Kindern schwankt, wissen sie bisher aber noch nicht. In weiteren Versuchen wollen sie herausfinden, wie sich die Tastfähigkeiten mit dem Fingerwachstum verändern, wenn sich auch die Rezeptoren weiter voneinander entfernen.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Diminutive digits discern delicate details: fingertip size and the sex difference in tactile spatial acuity", Daniel Goldreich et al.; Journal of Neuroscience (im Druck)


 

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