Familientragödie in der Jungsteinzeit

Das Team um Christian Meyer von der Universität Halle hat die sterblichen Reste der 13 Personen, die in vier Gräbern bestattet wurden, sowohl genetisch als auch nach kulturellen Merkmalen untersucht. Aus jener Region und jener Epoche, die der Schnurkeramik-Kultur zugerechnet wird, sind vor allem Einzelgräber bekannt. Nur gelegentlich gab es Mehrfachbestattungen. "Bisher aber konnte man über die Bedeutung solcher Gräber und wer in sie hineingelegt wurde, nur spekulieren", sagt Christian Meyer von der Universität Mainz. So wurde diese neolithische Familientragödie zu einem Glücksfall der Forschung.
Unter den 13 Ermordeten befanden sich nur zwei erwachsene Männer, die übrigen Opfer waren Frauen und Kinder. Die Skelette der beiden Männer wiesen Armbrüche auf, die älter waren als die tödlichen Verletzungen durch den Überfall. Daraus schließen Meyer und seine Kollegen, dass die Männer als Invaliden bei den Frauen und Kindern blieben. Die übrigen erwachsenen Männer der Sippe waren zur Tatzeit vermutlich nicht im Dorf - vielleicht waren sie auf der Jagd - und überlebten deshalb. Bei fünf der Eulau-Skelette fanden die Archäologen konkrete Spuren der tödlichen Verletzungen, die zum Beispiel durch steinerne Pfeilspitzen verursacht worden waren. Bei den übrigen acht Opfern ist nicht mehr genau zu erkennen, wodurch der Tod eintrat.
Die genetischen Analysen ergaben, dass in einem Grab eine Kernfamilie bestattet worden war: ein Mann, eine Frau und und ihre gemeinsamen Söhne. Der eine Junge war acht oder neun Jahre alt, der andere vier oder fünf. In den anderen Gräbern wurden die Menschen ebenfalls nach Verwandtschaft bestattet. So wurde etwa Geschwistern ein gemeinsames Grab bereitet. Interessant an dieser Aufteilung ist, dass die Menschen in der Jungsteinzeit offenbar schon das Wissen um Verwandtschaft pflegten. Es war ihnen also nicht gleichgültig, wer von wem abstammte oder wer mit wem eine Bindung zur Familiengründung eingegangen war.
Auch die Frage, wer wem zur Ehe folgte - der Mann der Frau oder die Frau dem Mann - , war vor 4600 Jahren offenbar schon klar geregelt, wie die Untersuchungen der Zähne der Skelette zeigten. Die Frauen waren mit anderer Nahrung aufgewachsen als die Männer. Die Männer waren offenbar an dem Ort gestorben, an dem sie auch geboren und aufgewachsen waren, während die Frauen aus anderen Gegenden stammten. Der Familiensitz war also patrilokal, wie die Forscher es nennen: Die Heimat des Mannes wurde die Heimat der Familie.
doi:10.1016/j.jaa.2009.07.002