Erstes Besäufnis entscheidender als erster Kontakt mit Alkohol

Früher Konsum allein nicht ausschlaggebend für spätere Probleme, die mit erhöhtem Alkoholgenuss einhergehen
Lausanne (Schweiz) - Wenn Jugendliche besonders früh Alkohol trinken, gilt das als starker Risikofaktor für auffälliges Verhalten und spätere Alkoholprobleme. Entscheidender als der erste Kontakt mit Alkohol ist aber offenbar, wann sie erstmals wirklich betrunken sind. Das legt eine Untersuchung an 15-Jährigen nahe, über die europäische Forscher im Fachblatt „Alcoholism: Clinical & Experimental Research“ berichten. Ihren Analysen zufolge erhöht ein junges Alter bei der ersten Trunkenheit eher das Risiko für Problemverhalten als ein junges Alter beim ersten Alkoholkonsum schlechthin. Um spätere Schwierigkeiten zu vermeiden, sollten sich vorbeugende Maßnahmen nach Meinung der Forscher darauf konzentrieren, frühe Trunkenheit zu verhindern.

„Ich denke, diese Ergebnisse haben wichtige Konsequenzen für Eltern“, sagt Emmanuel Kuntsche von der Stiftung „Sucht Schweiz“ in Lausanne, Erstautor der Studie. „Eltern sollten nicht in Panik geraten, wenn sie merken, dass ein Kind oder Jugendlicher mal an einem Glas mit irgendeinem alkoholischen Getränk genippt hat. Sie sollten einfach erklären, dass dies unangebrachtes Verhalten ist, weil Alkoholkonsum zum Beispiel problematisch für das sich noch entwickelnde Gehirn ist.“ Kuntsche und Kollegen hatten für ihre Statistik Daten zum Trinkverhalten von insgesamt 44.801 15-Jährigen aus Nordamerika und Europa analysiert, die an einer großen von der WHO unterstützten Gesundheitsstudie teilgenommen hatten. Sie verglichen die von den Jugendlichen genannten Altersangaben zum ersten Alkoholkontakt und zum ersten Betrunkensein mit dem Auftreten problematischen Verhaltens in Form von Rauchen, Marihuanakonsum, Verletzungen, Gewalt und schlechte Schulleistungen.

Die Forscher fanden durchaus einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Alter des ersten Alkoholkonsums und den fünf kritischen Verhaltensweisen. Dies war jedoch nur bei denjenigen der Fall, die Erfahrungen mit einem Rausch gemacht hatten – nicht bei denen, die nie betrunken gewesen waren. “Wir denken“, erläutert Kuntsche, „dass künftige Forschungsarbeiten sich mehr auf die Probleme konzentrieren sollten, die einer frühen Trunkenheit zugrunde liegen, als auf das Alter des ersten Trinkens per se.“ Früher Alkoholkonsum kann seiner Meinung nach zwar ein Anzeichen für andere Probleme wie Verhaltensstörungen, Alkoholprobleme innerhalb der Familie oder ein Kindheitstrauma sein, ist aber nicht zwingend ein Kennzeichen für spätere Probleme.

Viele frühere Studien kommen zu dem Schluss: Je früher Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol machen, desto mehr trinken sie später und desto häufiger kommt es zu damit zusammenhängenden Problemen. Allerdings blieb unklar, wie geringe Mengen an Alkohol, die keineswegs als toxisch einzustufen sind, späteres Problemverhalten verursachen sollten. „Dies ist eine bemerkenswerte Studie, die einen Bereich beleuchtet, der viel zu oft als offensichtlich erachtet wird“, kommentiert Allaman Allamani, italienischer Experte für Alkoholproblematik die Untersuchung. Die überwiegende Mehrheit an Studien würde schlicht einen ursächlichen Zusammengang zwischen dem Alter des ersten Alkoholkontaktes und späteren Alkoholproblemen unterstellen. „Das ist möglicherweise darauf zurückzuführen“, erklärt Allamani , „dass in manchen Trinkkulturen, wo auch die meisten dieser Studien durchgeführt wurden, und für viele Heranwachsende dort, der erste Drink gleichzeitig die erste Rauscherfahrung ist.“

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