Das Hirn auf Buchstabenerkennung spezialisieren

Damit das kindliche Gehirn frühzeitig lernt, Buchstaben mit Lauten zu verbinden, haben schweizerische und finnische Forscher ein neuartiges Trainingsprogramm entwickelt, das auch Kindern mit mutmaßlicher Leseschwäche helfen soll
Mit funktioneller Magnetresonanz-Tomografie ließ sich die Verbesserung der Buchstabenkenntnisse der Kinder messen.
Mit funktioneller Magnetresonanz-Tomografie ließ sich die Verbesserung der Buchstabenkenntnisse der Kinder messen.
© Universität Zürich
Zürich (Schweiz)/ Jyväskylä (Finnland) - Das Verknüpfen von Buchstaben und Sprachlauten ist der wesentliche Schritt, um Lesen zu lernen. Während viele Kinder schon vor der Einschulung diesen Schritt bei mehreren Buchstaben vollziehen, zeigen Kinder mit einer mutmaßlichen Leseschwäche hierbei schon früh Schwierigkeiten. Forscher aus Finnland und der Schweiz haben nun ein computerbasiertes Buchstaben-Sprachlaut-Lernprogramm entwickelt und mehr als 30 Kindergartenkinder damit trainiert. Nach acht Wochen hatten sich die Buchstabenkenntnisse aller Kinder - auch jener mit mutmaßlicher Leseschwäche - deutlich verbessert, zeigen die Forscher in den "Proceedings of the National Academy of Sciences".

Über 30 Kindergartenkinder mit und ohne familiäres Risiko für Leseschwäche (Dyslexie) haben mit dem computerbasierten Buchstaben-Sprachlaut-Lernprogramm "Graphogame" trainiert, das an der Universität Jyväskylä entwickelt und von Schweizer Forschern getestet wurde. Über acht Wochen hin übten die Kleinen insgesamt drei bis vier Stunden. Dabei wurde mit Hirnstrommessungen (Elektroenzephalographie: EEG) und funktioneller Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) erfasst, wie sich die Buchstabenkenntnisse verbessern und wie das Hirn lernt.

Beinahe alle Kinder konnten unabhängig vom familiären Risiko ihre Buchstabenkenntnisse innerhalb dieser acht Wochen verbessern. Auch im Hirn der Kinder konnte das Team um Silvia Brem von der Universität Zürich das Lernen sichtbar machen. Bestimmte Areale im Sehhirn entwickelten durch das Buchstaben-Sprachlaut-Training eine Spezialisierung für Schrift: So zeigten die Kinder eine stärkere Aktivität im Hirn für geschriebene Wörter gegenüber beliebigen, nicht buchstabenartigen Symbolen, die ihnen gezeigt wurden. Dies geschah, obwohl die Kinder auch nach dem Training noch nicht lesen, sondern lediglich buchstabieren konnten. Dass diese fMRT-Aktivität einen automatischen, schnellen und unbewusst ablaufenden Prozess darstellt, konnte mit der EEG-Messung verdeutlicht werden. Nur gerade eine Viertelsekunde, nachdem die Kinder ein geschriebenes Wort gesehen hatten, unterschied das Hirn bereits zwischen geschriebenen Wörtern und Symbolreihen. Diese Aktivität für Schrift im Hirn glich derjenigen von Erwachsenen oder Kindern, die bereits lesen können.

Trotz der deutlichen Trainingserfolge lässt sich durch diese Studie nicht beantworten, ob das "Graphogame" besser zum Erlernen von Buchstaben-Sprachlaut-Verknüpfungen geeignet ist als andere Lernprogramme. Insgesamt schätzen die Forscher die Resultate aber als sehr viel versprechend ein. Vor allem Kinder mit einer familiären Veranlagung für Dyslexie könnten in ihrer Leseentwicklung durch frühes und gezieltes Training unterstützt werden.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Brain sensitivity to print emerges when children learn letter-speech sound correspondences", Silvia Brem, Silvia Bach, Karin Kucian, Tomi K. Guttorm, Ernst Martin, Heikki Lyytinen, Daniel Brandeis und Ulla Richardson; PNAS Online-Vorabveröffentlichung, 29.03.2010, doi:10.1073/pnas.0904402107


 

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