Die Maya hätten Facebook verstanden

Archäologen entdecken Ähnlichkeiten zwischen modernen Medien und der Sicht der frühen Hochkultur auf die materielle Welt
Ein reich geschmückter Maya-Herrscher spricht offenbar mit seinem Spiegel – die Logogramme im Bild unterstreichen dies. Die Darstellung schmückt auch Sarah Jacksons Buch „Politics of the Maya Court“.
Ein reich geschmückter Maya-Herrscher spricht offenbar mit seinem Spiegel – die Logogramme im Bild unterstreichen dies. Die Darstellung schmückt auch Sarah Jacksons Buch „Politics of the Maya Court“.
© Justin Kerr
Cincinnati (USA) - Selfies, Avatare, Facebook-Identitäten – den alten Maya wäre die moderne Welt mit ihren digitalen Doppelgängern vermutlich nicht allzu fremd gewesen. Denn auch die Maya spielten mit Identitäten, berichtet jetzt eine US-Forscherin. In Schriften und Bildern der frühen Hochkultur entdeckte sie Hinweise, dass manche Objekte als lebendige Stellvertreter mit menschlichen Eigenschaften behandelt wurden. Das ähnelt heutigen Trends, berichtet die Anthropologin auf dem Jahrestreffen der American Archaeological Society (AAC) – etwa wenn Social Media-Profile einer Person wichtiger und „realer“ wirken als ihr Verhalten in der echten Welt.

„Es gibt dieses Gefühl bei virtuellen Realitäten, im Umgang mit Computern und dem Sozialleben online, wo wir uns fragen: ‚Ist das real oder nicht?’“, erläutert Sarah Jackson, Professorin für Anthropologie und Archäologie an der University of Cincinnati. „Ich sehe diesen Maya-Kontext und überlege: ‚Wie unterscheidet sich das von einigen der Bedenken+++, die wir heute haben?’“ So glaubte das mittelamerikanische Kulturvolk, dass Identitäten ein Objekt bewohnen können und es lebendig mache. Ein Bildhauer etwa übertrug eigene Eigenschaften auf sein Werk oder ein Mann auf seinen Spiegel, wie die Quellen zeigen. Manche Maya gaben den Dingen offenbar sogar Namen, sprachen mit ihnen oder nahmen sie zu besonderen Anlässen mit. Praktischen Nutzen haben diese Erkenntnisse allerdings wohl vor allem für Archäologen.

Die Weltanschauungen, die das Maya-Volk zu seiner Hoch-Zeit von 250 bis 900 nach Christus pflegte, analysiert Jackson anhand von Hieroglyphen in Texten und Bildern. Sie erstellt eine Datenbank der Maya-Terminologie und achtet vor allem auf so genannte Logogramme oder Eigenschaftsanzeiger auf Bildern der Maya. Diese waren eher abstrahierte statt fotografische Abbilder der Wirklichkeit – und vor allem waren sie oft in Stein gemeißelt oder in Holz geschnitzt. Weil damit die Information zu Farben und anderen Eigenschaften fehlten, setzten die Künstler in wichtigen Fällen hieroglyphische Zeichen hinzu – etwa „gelb“, „nachtähnlich/dunkel“ oder „steinern“. Allerdings ist wichtig, diese Marker aus Sicht der Maya zu verstehen, denn nicht immer ist ihre Bedeutung eindeutig. So stand bei Menschen das Zeichen „Knochen“ offenbar auch für „tot“ und „Sonne“ für „glänzend, herausragend“.

Jackson entdeckte in Bildern überraschend oft das Zeichen für „lebendig“ an Objekten, etwa am Spiegel eines Maya-Herrschers und auch an der Skulptur eines Schnitzers. Vor dem Hintergrund bekannter Maya-Forschung hält sie es für gesichert, dass die Menschen jener Kultur solchen Objekten menschliche Eigenschaften zusprachen. Dass sie mit ihnen redeten und ihnen quasi eine Zweitidentität verliehen – ähnlich wie Online-Identitäten der modernen Welt. Diese Erkenntnis dürften die Archäologie und das Verständnis vergangener Zeiten beeinflussen, berichtet Jackson: „Einige der Aspekte könnten wirklich verschieben, wie wir Objekte charakterisieren und dokumentieren.“ Wenn Forscher zumindest teilweise verstünden, wie die Maya Dinge betrachtet hätten, könnten sie das Verhältnis von Menschen und Objekten besser analysieren – und deren Beziehungsnetze untereinander.

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Quelle: „Classic Maya Material Meanings (and Modern Archaeological Consequences)“, Sarah Jackson; Annual Meeting of the Society for American Archaeology's (SAA) in Austin, Vortrag am 25.4.14


 

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