Weniger Verben kurz vorm Börsencrash

Finanzjournalisten wählen in der heißen Phase vor dem Platzen einer Finanzblase mehrheitlich ähnliche Wörter - nach dem Platzen wächst die Vielfalt wieder
Dublin (Irland)/Barcelona (Spanien) - Aktienbesitzer sollten ihre Anlagen kritisch betrachten, wenn Finanzkommentatoren immer ähnlicher klingen. Denn offenbar greifen diese im Vorfeld eines Börsencrashs immer seltener zu ungewöhnlichen Vokabeln. Stattdessen kommen in ihren Berichten gängige Wörter noch häufiger vor als sonst, wie irische Forscher jetzt berichten. Sie hatten 18.000 Online-Artikel rund um die Börsenkrise von 2007 mit Computerhilfe ausgezählt. Dabei stellten sie fest, dass die Veränderungen im Wortgebrauch mit den Börsenkursen zusammen hingen. Nach dem Platzen der Finanzblase normalisierte sich die Situation - die Sprachvielfalt nahm wieder zu, erklärten die Forscher auf der Fachkonferenz zu künstlicher Intelligenz "IJCAI-11" in Barcelona. So könnte nach ihrer Meinung die Analyse der Börsenberichterstattung Warnzeichen für einen kommenden Crash liefern.

"Unsere Studie zeigt, dass Reporter sich in der Sprache annähern. Mit Begriffen wie 'die Kurse stiegen wieder', 'erreichten neue Höhen' oder 'schossen nach oben' klangen ihre Kommentare im Vorfeld des Crashs von 2007 immer einheitlicher positiv", sagt Mark Keane, Professor für Computerwissenschaft im University College Dublin. Sein Team hatte in Finanz-Artikeln der New York Times, der Financial Times und der BBC zwischen 2006 und 2010 die Wörter gezählt. In einem Computermodell konnte es die Häufigkeit darstellen, mit der einzelne Begriffe auftauchten, und stellte fest, dass vor allem die Verben und Nomen ihre Vielfalt verloren. Ein Abgleich mit den führenden Börsenindizes der USA, Japans und Großbritanniens zeigte, dass das Absinken der Sprachvielfalt mit dem Steigen der Börsenkurse korellierte. Offenbar folgten die Autoren einer Art Herdentrieb, um den sich aufheizenden Markt zu beschreiben. In den Texten direkt nach dem Crash war diese Übereinstimmung wieder verschwunden.

Keanes Team hält den Effekt für nützlich, um künftige Aktienmarktkrisen schneller zu erkennen. Schließlich zeige eine intelligente Datenauswertung auch andernorts Erfolge, erklärt Ko-Autor Aaron Gerow: "Google konnte aus der Analyse von Suchanfragen Autoverkäufe vorhersagen, das Amazon-Buchempfehlungssystem fasst die Kundenpräferenzen in der Verknüpfung von Buchtiteln zusammen. Also weshalb sollte man nicht auf die Sprache der Finanzkommentatoren lauschen, um zu sehen, ob sie die Börse vorhersagen hilft?"

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Quelle: Vortrag Nr. 374 auf der 11. International Joint Conference on Artificial Intelligence, Barcelona


 

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