Weltchronik aus dem 15. Jahrhundert wiederentdeckt
"Die Jenaer Bilderrolle gibt uns nach wie vor viele Rätsel auf", bekennt Joachim Ott von der Abteilung Handschriften und Sondersammlungen der ThULB. "Wir wissen nicht, wo sie entstanden ist oder wer sie benutzte. Es ist außerdem völlig unklar, wann und woher sie in die Jenaer Bibliothek gelangte." Bis Mitte des 20. Jahrhunderts trug die Pergamentrolle keinerlei Signatur und taucht - außer in einer Fußnote in einer Abhandlung des 19. Jahrhunderts - in der wissenschaftlichen Literatur nirgends auf.
Als einzige Quelle muss den Forschern bis auf Weiteres die Handschrift selbst dienen. "Man erkennt, dass sie ursprünglich aus elf großformatigen, zu einer Rolle zusammengeklebten Pergamentstücken bestand, die irgendwann in vier Teile zerschnitten wurde", erklärt Joachim Ott. Stilistisch weisen die Zeichnungen Ähnlichkeiten mit Bilderchroniken dieser Zeit aus dem süddeutschen Raum auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Buchrollen ist das Jenaer Exemplar allerdings beidseitig bemalt. Mit routiniertem Federstrich hat der unbekannte Künstler nicht weniger als 370 Einzelzeichnungen auf das fast acht Meter lange und bis zu 70 cm breite Pergament gebracht. Die von ein und derselben Hand ausgeführten Zeichnungen erzählen detailreich und lebhaft die Genealogie Christi: angefangen von Adam, aus dessen Rippe Eva geschnitten wird, bis zum Tod von Papst Urban V. (gestorben 1370). Daneben sind Personen, Szenen und Ereignisse der christlichen Glaubensgeschichte sowie der weltlichen Historie zu finden.