Weiterhin weniger Chancen und Lohn für Frauen wegen "Gender Fatigue"

Weil viele Organisationen, Unternehmen und sogar Angestellte meinen, das Thema der Benachteiligung von Frauen im Beruf habe sich erschöpft, bestehen die Unterschiede bei Lohn und Karriere weiterhin
London (Großbritannien) - Faktisch gibt es keinen Grund zur Entwarnung: Frauen in den westlichen Industrienationen verdienen in einer Berufsarbeitswoche von etwa 40 Stunden immer noch 20 Prozent weniger als Männer in der gleichen Position in der gleichen Zeit verdienen. Dennoch winken Unternehmen und sogar Angestellte ab, wenn Wissenschaftler oder Politiker diese Diskrepanz thematisieren: Frauen hätten doch schon so viel erreicht, und in ihrem Unternehmen gebe es keine Ungleichbehandlung mehr. Der "Gender Fatigue", wie Wissenschaftler diese Ermüdungserscheinungen nennen, ist einer britischen Forscherin zufolge dafür verantwortlich, dass sich die Unterschiede in der Bezahlung von Berufsarbeit weiter fortsetzen. Ihre Erkenntnisse hat die Forscherin im "Canadian Journal of Administrative Sciences" veröffentlicht.

"Kein Land der Welt hat es bisher geschafft, die Ungleichbehandlung der Geschlechter im Beruf abzuschaffen", sagt Elisabeth Kelan vom King's College in London, die sich auf die Daten des "World Economic Forum's Gender Gap Report" stützt. In den Jahren 2003 bis 2004 konnte Kelan 26 Männer und Frauen von zwei Schweizer Informationstechnologie-Unternehmen befragen. Die Unternehmen bekamen die Tarnnamen "Redtech" und "Bluetech".

In den Interviews gaben die Befragten an, dass es "früher" Diskriminierung von Frauen im Unternehmen gegeben habe, aber das sei vor zehn oder zwanzig Jahren gewesen. Jetzt, so sagen die Angestellten der beiden Schweizer Unternehmen, bekäme jeder sein Gehalt nach seiner Leistung für das Unternehmen, unabhängig vom Geschlecht. Höchstens als Einzelfall wollten die befragten zehn Frauen und 16 Männer eine Ungleichbehandlung gelten lassen. Dabei befindet sich die Schweiz nur auf Platz 40 der "Charts" zur Gleichbehandlung im Beruf, die der "World Economic Forum's Gender Gap Report" für 2007 veröffentlicht hat. Am weitesten fortgeschritten sind noch die skandinavischen Länder, die die Spitzenplätze in diesem Ranking einnehmen. Deutschland hat immerhin den siebten Platz inne.

"Das Problem mit dem Gender Fatigue ist, dass er eine konstruktive Diskussion über die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen verhindert", sagt Kelan. "Dadurch wird es ganz schwer, dieses Thema anzusprechen. Weitere Studien sollen zeigen, was der Gender Fatigue über längere Zeit bewirkt und welche praktischen Strategien entwickelt werden können, damit in den Organisationen und Unternehmen wieder über die Ungleichbehandlung der Geschlechter gesprochen werden kann."

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Gender fatigue: The ideological dilemma of gender neutrality and discrimination in organizations", Elisabeth K. Kelan, Canadian Journal of Administrative Sciences, Vol 26, Issue 3 (September 2009), S. 197-210, DOI: 10.1002/cjas.106


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg