Weißer Fleck auf der Sprachen-Landkarte entdeckt

"In der wissenschaftlichen Buchhaltung stellt Koro nur einen Eintrag von 6909 Sprachen weltweit dar ... Aber der Beitrag von Koro zur Sprachwissenschaft ist sehr viel größer, als die verschwindend kleine Zahl seiner Sprecher vermuten lässt", schreibt K. David Harrison in seinem gerade erschienenen Buch "The Last Speakers". "Koro bringt eine ganz neue Perspektive, Geschichte, Mythologie und Grammatik zu dem hinzu, was bisher bekannt ist."
Eigentlich waren K. David Harrison, Gregory Anderson und Ganesh Murmu vom "National Geographic's Enduring Voices Project" im indischen Distrikt Arunachal Pradesh unterwegs, um zwei wenig bekannte Sprachen - Aka und Miji - zu erforschen. Auf der Suche nach Sprechern dieser Sprachen hörten sie eine dritte Sprache, mit der sie nicht gerechnet hatten und die auch sehr verschieden von Aka und Miji klang. Das war Koro, eine Sprache, von der die Welt bisher überhaupt keine Notiz genommen hatte. Dabei ist Koro nicht einfach nur ein Dialekt der anderen Sprachen dieser Gegend. Koro gehört zwar zur großen Familie der tibeto-burmanischen Sprachfamilie, doch zum geografisch benachbarten Aka bestehen kaum Gemeinsamkeiten. So nennt man einen Berg auf Aka "phù", auf Koro hingegen "nggo". Ein Schwein heißt bei den Aka-Sprechern "vo", bei den Koro-Sprechern "lele". Aka ist laut Anderson und Harrison von alters her die Sprache der Sklavenhändler in dieser Region. Möglicherweise ist Koro die Sprache der verkauften Sklaven, was die großen Unterschiede der beiden Sprachen erklären könnte.
Wie kann es sein, dass Forscher im 21. Jahrhundert noch eine Sprache entdecken konnten, von deren Existenz bisher niemand wusste? Ein Grund ist, dass man für die Region Arunachal Pradesh einen besonderen Passierschein benötigt. Außerdem handelt es sich um eine sehr unwegsame Gegend. Trotz alledem konnten die Forscher einige tausend Wörter notieren und Sprachaufnahmen machen.
National Geographic's Enduring Voices Project: http://www.nationalgeographic.com/mission/enduringvoices/about-the-project.html