Vom Ehrbaren Kaufmann zum Ehrbaren Manager - kann die Manager-Gier durch ein neues (altes) Leitbild gestoppt werden?

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Berlin - Ist es ein ganz allgemein-menschlicher Zug, den Hals nicht voll zu kriegen? Und muss darum Korruption und Steuerhinterziehung als zwar verwerfliches aber in der menschlichen Natur begründetes Handeln betrachtet werden? Nicht unbedingt, sagt jetzt ein Nachwuchswissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin. Er hat das jahrhundertealte Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns unter die Lupe genommen und herausgearbeitet, was den Ehrbaren Kaufmann von einst vom heutigen Manager unterscheidet. Sein optimistisches Fazit: Auch der Ehrbare Manager ist möglich, allerdings muss sich dann Einiges ändern.

Im Mittelalter waren Kaufleute überwiegend zu Fuß unterwegs, so Daniel Klink von der Humboldt-Universität Berlin in der "Zeitschrift für Betriebswirtschaft". Sie waren überall fremd, was meist gleichbedeutend mit "verdächtig" war. Das Rechtssystem war noch sehr unterentwickelt, die Beweisverfahren im Falle einer Klage sehr fragwürdig. Eine weitere, ständige Bedrohung für die reisenden Kaufleute war das Repressaliensystem. "Hatte ein Kaufmann Schulden bei einem Stadtbewohner, so konnte dieser den nächsten vorbeikommenden Kaufmann zur Herausgabe der Schulden im Namen des eigentlichen Schuldners zwingen", schreibt Klink. "Wenn dieser die Schulden bezahlte, war er berechtigt, das Geld vom eigentlichen Schuldner einzufordern. Die praktische Umsetzung war indes schwierig und das System bedrohte die Existenz jedes einzelnen Kaufmanns. Als Konsequenz schlossen sich die Kaufleute zusammen und entwickelten eigene Beweis- und Gerichtsverfahren, die die Achtung des Rechts von allen Mitgliedern einforderten." So entstand das Leitbild vom Ehrbaren Kaufmann. Vor allem in Italien, dem Stammland der Buchführung, und in der Hanse wurde das Ideal des Ehrbaren Kaufmanns hochgehalten. In Norddeutschland ist der Ausdruck "Ehrbarer Kaufmann" auch heute noch geläufig. Wie ein Ehrbarer Kaufmann sein sollte, beschrieb Giovanni di Pagolo Morelli am Ende des 14. Jahrhunderts in seinen "Ricordi": "Macht keine Geschäfte mit jemandem, der die Arbeit, die Partner oder die Meister gewechselt hat. Und seid misstrauisch, euer Geld oder eure Geschäfte einem Mann anzuvertrauen, der spielt, der ausschweifend lebt, der sich zu aufwendig kleidet, der feiert, kurz, einem Mann ohne Hirn." Im ausgehenden Mittelalter und in der Frühen Neuzeit wurden Ehrbare Kaufleute häufig Bürgermeister und trugen in ihrem Amt oft ganz wesentlich zum Ausbau der Städte bei.

Das Idealbild des Ehrbaren Kaufmanns blieb lange bestehen. Der Ausspruch eines Vorfahren von Thomas Mann - "Mein Sohn, sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bey Nacht ruhig schlafen können" - ist noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnend für das Unternehmertum. Doch es dämmerte schon eine neue Zeit herauf. In der Gründerzeit um 1870 wurden zahlreiche Unternehmen gegründet, von denen einige bald sehr groß wurden. Und nun entstand ein neues "Wirtschaftssubjekt", wie es bei Daniel Klink heißt: der Manager oder, wie er in Deutschland noch lange hieß, der "Direktor". Über den Unterschied von Unternehmer und Manager sagt Klink: "Der Unternehmer fängt bei Null an, er muss Menschen für ein Projekt begeistern, das Geld kostet. Er muss Mitarbeiter motivieren und braucht von verschiedenen Seiten Hilfe. Der Unternehmer, der bereits das erforderliche Geld hat, wenn er sein Projekt beginnt, ist eine Fiktion oder zumindest eine große Ausnahme. Wenn die Firma kontinuierlich gewachsen und der Unternehmer alt geworden ist, sucht er unter seinen Angestellten einen, den er zum Gruppenleiter und später zum Direktor macht, damit er selbst abtreten kann. Dieser Direktor hat die Gründung der Firma selbst nicht mehr miterlebt. Er soll sie nur wirtschaftlich weiterführen. Dabei kann er unter Umständen sehr jung sein." Im 20. Jahrhundert wurden dann auf universitärer Ebene Manager-Schulen etabliert, meist im Rahmen eines Studiums der Betriebswirtschaftslehre (BWL). Doch dort wurden und werden nicht Gemeinwohl, Verantwortung und Ehrbarkeit gelehrt. "Das Studium der Betriebswirtschaftslehre hat hauptsächlich mit der Gewinnmaximierung zu tun", sagt Klink. Der Forscher will dabei gar nicht bestreiten, dass Gewinn wichtig ist. "Gewinn braucht jeder, das ist notwendig und legitim, aber es darf nicht der einzige Aspekt des Wirtschaftslebens sein." Klink kritisiert auch, dass die BWL-Studenten überhaupt nicht an die Fragestellung herangeführt werden, wie sie persönlich mit viel Geld umgehen sollten. "Die Frage 'Was würdest du tun, wenn du morgen drei Millionen Euro hättest?' überfordert die meisten BWL-Studenten völlig", so Klink. Dabei müssten sie sich angesichts der heutigen Manager-Gehälter gerade damit auseinandersetzen.

Warum die Manager-Gehälter so hoch sind, ist für Klink nicht völlig geklärt. "Es gibt jedenfalls keinen Zusammenhang zwischen Geld und Erfolg." Ein Grund für die hohen Gehälter könnte sein, dass Manager weltweit eine heiß begehrte "Ware" sind. Wer nicht "genug" verdient, könne immer damit drohen, ins Ausland zu gehen. Und es ist ja auch wirklich so, dass man in den USA mehr verdienen kann als etwa in Deutschland. Ob aber im Falle des Weggangs von Managern ins Ausland hierzulande tatsächlich Personalengpässe entstünden, die nicht durch Nachbesetzung behoben werden könnten, hat noch niemand wirklich überprüft. Hinzu kommt, dass das Gehalt der Manager vom Aufsichtsrat bestimmt wird, denn der Aufsichtsrat kontrolliert das Management. "Darüber, wie die Entscheidungen im Aufsichtsrat über Gehälter und andere Dinge zustande kommen, weiß die Wissenschaft so gut wie nichts", sagt Klink.

Die größte Chance, dass sich etwas ändert in der Haltung der Manager, sieht Klink in einer Änderung der Ausbildung. In den Universitäten und Fachhochschulen müssten Themen wie Wirtschaftsethik und verantwortungsvolles Handeln zum integralen Bestandteil der Managerausbildung werden. Denn auf lebenspraktischem Wege wird man heutzutage nicht zum Ehrbaren Manager. "Die Kaufleute im Mittelalter waren noch darauf angewiesen, Kodizes für gegenseitigen Respekt und für Fairness zu entwickeln, da allein schon das Reisen für den Fernhandel langwierig und voller Gefahren war. Heute ist ein Manager ja kaum noch persönlichen Gefahren ausgesetzt. Selbst große Entfernungen kann er in wenigen Stunden zurücklegen, und wenn ihm sein Sitznachbar im Flugzeug nicht gefällt, legt er sich eine DVD ein und überbrückt so die Zeit bis zum nächsten wichtigen Geschäftstermin, ohne dass er dafür die Hilfe und die Solidarität anderer in Anspruch nehmen müsste."

Humboldt-Universität Berlin / Eigene Recherche
Quelle: "Der ehrbare Kaufmann - Das ursprüngliche Leitbild der Betriebswirtschaftslehre und individuelle Grundlage für die CSR [Corporate Social Responsibility]-Forschung", Daniel Klinik, erscheint in "Zeitschrift für Betriebswirtschaft / Journal of Business Economics", Special Issue 3/2008


 

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