Universalgrammatik doch nicht universal
Sätze wie "The soldier was hit by the sailor" (Der Soldat wurde vom Segler getroffen) legte Ewa Dabrowska von der Northumbria University erwachsenen Versuchspersonen vor. Darunter waren sowohl Personen, die mit 16 die Schule verlassen hatten, als auch solche, die einen breiten Bildungshintergrund wie ein abgeschlossenes Studium hatten. Die Versuchspersonen sollten angeben, worum es in den Sätzen jeweils ging. Es zeigte sich, dass dann, wenn die Sätze auch nur ein bisschen schwerer wurden, die Versuchsteilnehmer mit dem frühen Schulabgang zunehmend Fehler machten.
"Natürlich gibt es immer Menschen, die mehr Sprachfertigkeiten besitzen als andere, die einen größeren Wortschatz haben und sehr komplexe Satzkonstruktionen verstehen", sagt Dabrowska. "Dennoch wurde angenommen, dass alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft eine bestimmte Grundgrammatik teilen, vorausgesetzt, sie haben eine normale Entwicklung durchlaufen." Diese Annahme, dass jeder in einer Sprachgemeinschaft dieselbe Grundgrammatik mit den anderen Sprechern der Sprachgemeinschaft teilt, ist eine der zentralen Lehren des amerikanischen Linguisten Noam Chomsky (*1928), die er bereits vor rund 50 Jahren in seinem Buch "Syntactic Structures" formuliert hat. Diese Lehre wird nicht von allen Linguisten geteilt. Die Theorie von der Universalgrammatik geht davon aus, dass alle Kinder zunächst einmal ihre Muttersprache gleich gut lernen und dass es darum eine gemeinsame, abstrakte Struktur geben müsse, die allen Sprachen dieser Welt zugrunde liege und auf irgendeine Weise im Gehirn verankert ist. Diese Verankerung nimmt Chomsky als angeboren an. "Wenn es substanzielle individuelle Unterschiede im Erreichen der muttersprachlichen Kompetenz gibt, ist dies ein problematischer Befund für einen der Grundpfeiler der Universalgrammatik: die Annahme einer wesentlich gleichen Grammatik für alle Menschen."