N wie Nase und r wie rund
„Diese symbolischen Klangmuster zeigen sich wieder und wieder auf der ganzen Welt, unabhängig von der geographischen Verbreitung von Menschen und unabhängig von der Sprachfamilie”, sagt Morten H. Christiansen von der Cornell University in Ithaca, Seniorautor der Studie. „Es scheint irgendeine Eigenschaft des Menschen zu geben, die zu diesen Mustern führt. Wir wissen nicht was es ist, aber wir wissen, es ist da.” Gemeinsam mit Kollegen, die unter anderem in Deutschland und der Schweiz forschen, hatte Christiansen Wortlisten aus mehr als 6000 aktuell gesprochenen Sprachen und Dialekten analysiert, was beinahe einem Drittel aller bekannten Sprachen dieser Welt entspricht und rund 85 Prozent der Sprachfamilien. Darunter waren vor allem Wörter des ganz zentralen alltäglichen Sprachgebrauchs: Pronomen wie ich, du und wir, Verben wie trinken, Adjektive wie voll und klein sowie Substantive für Körperteile und Dinge aus der Natur, beispielsweise Auge, Nase, Zunge, Knie und Stein, Hund, Berg, Sonne, Stern und Nacht. Die einzelnen Begriffe reduzierten die Forscher auf ein lautmalerisch vereinfachtes System aus 34 Konsonanten und 7 Vokalen und werteten statistisch aus, welche Laute in welchen Begriffen auftauchen.
Sprachwissenschaftler gingen bisher davon aus, dass eine der fundamentalen Eigenschaften gesprochener Sprache darin besteht, dass der Zusammenhang zwischen Klang und Bedeutung bis auf wenige Ausnahmen rein willkürlich ist, schreiben Christiansen und seine Kollegen. Mit ihrer sorgfältigen und umfassenden Analyse konnten sie jetzt allerdings Belege finden, die genau auf das Gegenteil hindeuten: Selbst nicht miteinander verwandte Sprachen nutzen – oder vermeiden – sehr häufig dieselben Laute für bestimmte Begriffe. „Das heißt nicht, dass alle Wörter diese Laute haben”, sagt Christiansen, „aber der Zusammenhang ist viel stärker als wir bei purem Zufall erwartet hätten.” So fanden die Sprachwissenschaftler beispielsweise, dass Wörter für „Zunge” sehr häufig ein „l” oder „u” enthalten, jene für „Nase” ein „n” und Wörter für „Blatt” gerne „b”, „p” oder „l”. Des Weiteren kommt in Wörtern für „klein” gerne ein „i” vor und in Wörtern für „rund” und „rot” ein „r”. Dagegen finden sich in Wörtern für „Ich” kaum Laute mit „u”, „p”, „b”, „t”, „s”, „r” und „l”, während „Du” nur selten Laute mit „u”, „o”, „p”, „t”, „d”, „q”, „s”, „r” und „l” enthält.