Mit der Hand schreiben - ein wichtiger kreativer Prozess

Das Schreiben mit der Hand setzt andere Denkprozesse frei als das Schreiben mit einer Tastatur. Man solle das Schreiben mit Computer nicht verteufeln, sagen amerikanische Forscher, aber man dürfe auch das Schreiben mit der Hand in der Schule nicht vernachlässigen
Seattle (USA) - Kinder der unteren Schulklassen bringen mehr Inhalte schneller zu Papier, wenn sie mit einem Stift statt auf einer Computertastatur schreiben. Dies gilt sowohl für Kinder mit normal entwickelten Schreib- und Lesefähigkeiten als auch für Kinder, die Schwierigkeiten mit der Technik des Schreibens haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie amerikanischer Forscher, die sie in der Fachzeitschrift "Learning Disability Quarterly" veröffentlicht haben. Das Schreiben mit der Hand sollte deshalb, so die Forscher, ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts bleiben.

"Viele Leute denken, Sprache sei ein einheitliches Ding. Aber das ist nicht der Fall", sagt Virginia Berninger von der University of Washington. "Sprache hat verschiedene Ebenen, ähnlich wie ein Hochhaus mit mehreren Stockwerken und Korridoren. In der geschriebenen Sprache gibt es Buchstaben, Wörter, Sätze und Absätze, die verschiedene Ebenen der Sprache darstellen. Sie stehen zwar in Beziehung zueinander, aber nicht auf eine simple Art und Weise. Das Buchstabieren findet auf der Wort-Ebene statt, aber Sätze befinden sich auf der Syntax-Ebene. Die Wörter und die Syntax sind nur teilweise unabhängig voneinander. Die Organisation von Sätzen, um einen Text zu erstellen, bildet eine weitere Ebene. Das ist der Grund, warum einige Kinder Hilfe beim Buchstabieren brauchen, während andere Hilfe bei der Konstruktion von Sätzen und wieder andere Hilfe bei der Erstellung von Texten benötigen."

Berninger und ihre Kollegen testeten mehr als 200 Kinder aus der zweiten, der vierten und der sechsten Klasse. Die Kinder bekamen zunächst die Aufgabe, alle Buchstaben des Alphabets in der richtigen Reihenfolge in Kleinbuchstanden mit der Hand aufzuschreiben. Danach sollten sie die Buchstaben des Alphabets in der richtigen Reihenfolge auf einer Tastatur tippen. Beide Aufgaben sollten sie so schnll und akkurat wie möglich ausführen. Eine weitere Aufgabe bestand darin, einen Satz zu schreiben, der mit dem Wort "Schreiben" beginnen und einen Satz zu tippen, der mit dem Wort "Lesen" anfangen sollte. Und schließlich erhielten die Kinder die Aufgabe, zu den Themen "Lesen" und "Schreiben" jeweils zehn Minuten lang einen Essay zu schreiben und zu tippen.

Ganz gleich, in welcher Klassenstufe sich die Kinder befanden und welche Schreibschwierigkeiten sie auch hatten: Den Essay schrieben sie besser, wenn sie mit der Hand schrieben. Die Viert- und Sechstklässler schrieben auch vollständigere Sätze, wenn sie mit der Hand schrieben. Nur bei der Alphabet-Aufgabe am Anfang erwies sich die Tastatur als das bessere Instrument. "Eine Tastatur gibt dem Kind nicht die gleiche Möglichkeit bei der Formung der Buchstaben wie ein Stift; auf der Tastatur wird ein Buchstabe durch Drücken ausgewählt und wird nicht geformt", erklärt Berninger. "Gehirnscan-Studien an Erwachsenen haben bereits gezeigt, dass das Formen der Buchstaben mit Hand und dem Stift einen klaren Vorteil vor dem Sehen und Auswählen der Buchstaben auf einer Tastatur hat. Eine Gehirnscan-Studie an Kindern konnte belegen, dass das Mitgehen der Finger beim Bilden der Buchstaben offenbar Denkprozesse fördert."

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Quelle: "Comparison of Pen and Keyboard Transcription Modes in Children with and Without Learning Disabilities", Virginia W. Berninger, Robert D. Abbott, Amy Augsburger, and Noelia Garcia, Learning Disability Quarterly, Volume 32, Number 3, Summer 2009


 

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