Mehrstöckiger Königspalast verrät Bronzezeit-Architekten

Älter als drei Jahrtausende und doch außergewöhnlich gut erhalten - ein in Syrien entdeckter Königspalast bietet ganz neue Erkenntnisse über die Architektur der Bronzezeit
Raum im Westflügel des Königspalastes von Qatna
Raum im Westflügel des Königspalastes von Qatna
© Peter Pfälzner
Tübingen - Vor über 3500 Jahren bestand in Qatna im heutigen Syrien ein wohlhabendes, auf Handel ausgerichtetes Königreich. Doch erst vor sechs Jahren wurden die Königsgrüfte des Königspalastes von deutschen Archäologen wiederentdeckt. Jetzt haben die Archäologen den Westflügel des Königspalastes entdeckt und teilweise freigelegt. Dabei stießen sie auf ein mehrstöckiges Lehmziegelgebäude, dessen Ruinen über acht Meter hoch sind. Zum ersten Mal ist in Vorderasien ein so gut erhaltenes, mehrstöckiges Lehmziegelgebäude aus der Bronzezeit gefunden worden. Außerdem entdeckten die Forscher im Palastbrunnen frisch gehaltene Hölzer, die offenbar bei der Eroberung der Stadt durch die Hethiter 1340 vor Christus in die Tiefe gestürzt waren. Die Hölzer geben wichtige Aufschlüsse über den Entwicklungsstand der Zimmermannstechnik in der Bronzezeit.

Auf die Archäologen um Peter Pfälzner von der Universität Tübingen, die bereits im Jahr 2002 überraschend die Grabanlage der Könige von Qatna sowie ein Keilschriftarchiv mit 73 Tontafeln entdeckt hatten, wartete auch im Sommer 2008 wieder Verblüffendes. Sie entdeckten den Westflügel des Königspalastes und stellten fest: Das Gebäude muss in diesem Teil der Palastanlage dreistöckig gewesen sein. Zwar ist das oberste Stockwerk durch Erosion zerstört worden, die beiden unteren aber sind vollständig erhalten geblieben. Noch bis zu 5,20 Meter ragen die Mauern aus Lehmziegeln auf. Darunter liegen Fundamente von 3,10 Metern Höhe. Zusammengenommen also besitzen die Ruinen des Westflügels des Königspalastes eine Höhe von 8,30 Metern. Durchgänge und Türen, Fußböden und Decken haben sich hier in ungewöhnlicher Vollständigkeit erhalten. Einzigartig sind vier in einer Flucht liegende Türen mit einem jeweils vollständig erhaltenen Bogen aus Lehmziegeln. Diese Türbögen gehören zu den am besten erhaltenen bronzezeitlichen Bogenkonstruktionen des gesamten Vorderen Orients.

Direkt an den Westflügel grenzt ein großer Palastbrunnen an, an dessen Freilegung die Tübinger Archäologen bereits seit Jahren arbeiten. In dem weiten Brunnenschacht fanden die Forscher nun große Mengen von Feuchtholz, das bei der Zerstörung des Palastes um 1340 vor Christus in die Tiefe gestürzt war. Die Hölzer befanden sich in ihrer ursprünglichen Lage, so wie sie vor Jahrtausenden aufeinander gefallen waren. Aufgrund des feuchten Erdreichs hat sich das bronzezeitliche Holz in fast frisch wirkendem Zustand erhalten. Große Deckenbalken von 5 Metern Länge und 800 kg Gewicht, aber auch Holzdielen und Kanthölzer mit regelmäßigen Zapflöchern lagen durcheinander im Brunnen. Das Holz muss sowohl von einer zerstörten Balkendecke als auch von anderen Holzkonstruktionen innerhalb des Raumes stammen. Für die hoch entwickelte altorientalische Zimmermannstechnik liefern diese im ariden Syrien bisher einmaligen Funde wertvolle neue Erkenntnisse.

Ein Raum des Westflügels des Königspalastes enthielt außerdem Hunderte von Keramikgefäßen, Steinperlen sowie zahlreiche Abdrücke von kunstvoll geschnittenen Rollsiegeln auf Plomben und Verschlüssen von Waren. Besonders wichtig sind drei mit Keilschrift beschriebene Tontafeln. Vermutlich handelt es sich um Verwaltungsdokumente aus dem Königspalast, die nach ihrer Entzifferung wichtige Erkenntnisse über die Verwaltungstätigkeit im Palast geben könnten.

Das altsyrische Königreich Qatna, das etwa 500 Jahre lang bestand und die wichtigsten Handelswege in der Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus kontrollierte, war lange Zeit vergessen. Offenbar konnte das Reich, das auf Handel und Mehrung des Wohlstandes ausgerichtete, dem Hethitereinfall im Jahr 1340 vor Christus nichts entgegensetzen. Aus früher gefundenen Keilschrifttafeln geht hervor, dass noch Boten ins ägyptische Reich mit der Bitte um militärischen Beistand entsandt wurden. Doch der zu jener Zeit in Ägypten regierende König Echnaton war mehr an der Etablierung einer neuen Religion interessiert als an außenpolitischen Aktivitäten. So fand das Königreich von Qatna 1340 vor Christus ein gewaltsames Ende.

Universität Tübingen / Eigene Recherche
Quelle: Universität Tübingen


 

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