Mehri - ein Fenster ins Ur-Semitische

Die uralte, schriftlose Sprache Mehri, die noch im Südjemen gesprochen wird, versuchen Heidelberger Forscher für die Nachwelt aufzuzeichnen
Heidelberg - Nur noch ein paar tausend Menschen im äußersten Süden der arabischen Halbinsel sprechen die Mehri-Sprache. Diese Sprache ist nicht nur uralt, sondern hat viele Merkmale des Ur-Semitischen bewahrt, das vor etwa 7000 Jahren gesprochen wurde. Weil die Mehri-Sprache keine Schrift hat, haben Forscher vor einigen Jahren begonnen, die Lautung der Sprache aufzuzeichnen und ihren Wortschatz festzuhalten. Soeben ist ein Band mit Mehri-Texten in phonetischer Umschrift erschienen. Einige Hörproben sind im Internet abrufbar unter http://semitistik.uni-hd.de/askari/index.htm .

"Früher - das heißt bis etwa in die 1960er Jahre, als im Jemen überall die Schulpflicht eingeführt wurde - kam fast niemand in das Mahra-Land im Südjemen", erklärt Werner Arnold, Semitist an der Universität Heidelberg. "Darum konnte sich dort die Mehri-Sprache halten, obwohl sie keine Schrift besaß. Heute lernen die Kinder in der Schule Arabisch. Mehri wird von der jungen Generation immer weniger gesprochen." Dabei handelt es sich - wissenschaftlich betrachtet - um eine höchst aufschlussreiche Sprache: Da ihr Sprachraum so lange von der Außenwelt nahezu abgeschlossen war, konnten sich sprachliche und phonetische Merkmale halten, die mehrere tausend Jahre alt sind. "Die Aussprache des Mehri ist urtümlicher als die des Akkadischen, das vor 4000 Jahren im Zweistromland gesprochen wurde", sagt Arnold. "Mit Ausnahme des /p/, das in allen heutigen semitischen Sprachen zu /f/ geworden ist, dürfte die Aussprache des Mehri ganz nah an das Ur-Semitische herankommen, das vermutlich vor etwa 7000 Jahren gesprochen wurde." Zu den bekanntesten heute gesprochenen semitischen Sprachen gehören das Arabische und das Neu-Hebräische, zwei Sprachen, die im Vergleich zum Mehri sehr modern sind.

Die jetzt unternommene Bewahrung des Mehri für die Forschung ist im Grunde seit rund hundert Jahren erst der zweite große Versuch, sich mit dieser Sprache zu befassen. Ende des 19. Jahrhunderts finanzierte der österreichische Kaiser eine Südarabien-Expedition der Akademie der Wissenschaften. Aus dieser Expedition ging die erste Veröffentlichung von Mehri-Texten hervor. In den 1960er Jahren hat zwar der Engländer T.M. Johnstone ein Mehri-Wörterbuch vorgelegt, doch dieses bezog sich nur auf das im Oman gesprochene Mehri. Der jetzige Ansatz zu einer Erforschung des Mehri wurde von einem tragischen Ereignis überschattet. Zusammen mit dem jemenitischen Sänger und Dichter 'Askari Hugayran Sa'd machte sich der Semitist Alexander Sima Anfang dieses Jahrhunderts an die systematische Erforschung dieser alten Sprache. Doch ihm blieben nur etwa vier Jahre für seine Forschungen. Im Sommer 2004 verunglückte er tödlich bei einem Verkehrsunfall im Jemen. Das von ihm gesammelte Material haben nun Werner Arnold und die britische Semitistin Janet C.E. Watson bearbeitet und herausgegeben.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: Sima, Alexander: Mehri-Texte aus der jemenitischen Šarqiyah. Transkribiert unter Mitwirkung von 'Askari Hugayran Sa'd. Bearbeitet und herausgegeben von Janet C.E. Watson und Werner Arnold. Harrassowitz, Wiesbaden 2009


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg