Kalenderblatt 19. April: Vor 480 Jahren war die Geburtsstunde des Protestantismus

Zwölf Jahre nach Luthers Thesen wurde die Reformation zum Protestantismus (19. April 1529)
Die Gedächtniskirche in Speyer erhielt ihren Namen zur Erinnerung an die Protestation zu Speyer
Die Gedächtniskirche in Speyer erhielt ihren Namen zur Erinnerung an die Protestation zu Speyer
© Wikipedia / Public Domain
Niemand ahnte, dass Martin Luther die Reformation einläutete, als er am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg schlug. Doch seine Thesen führten noch nicht zur Bezeichnung "Protestantismus". Das geschah erst 12 Jahre später, am 19. April 1529, in der so genannten "Protestation zu Speyer": Auf dem Reichstag zu Speyer forderten sechs Fürsten und 14 Reichsstädte die ungehinderte Ausbreitung des evangelischen Glaubens. Dieses Ereignis gilt bis heute als die Geburtsstunde des Protestantismus. Mit der Protestation zu Speyer wurde auch erstmals offensichtlich, dass sich in den Regionen und Städten in Deutschland bereits feste kirchliche Parteien formiert hatten. Die Reformation war zu einem Machtfaktor geworden, der nicht mehr ignoriert werden konnte.

Warum kam es zwölf Jahre nach Luthers 95 Thesen überhaupt noch zu dieser Protestation zu Speyer? Auf dem Reichstag zu Worms im Jahr 1521 war über Martin Luther und seine Anhänger die Reichsacht verhängt worden. Das bedeutete: Luther und seine Anhänger wurden für friedlos erklärt und damit im ganzen Reich zu Geächteten. Üblicherweise bezog sich die Acht nur auf eine bestimmte Region, die Reichsacht war eine Verschärfung hiervon. Überdies war die Lektüre und Verbreitung von Luthers Schriften verboten worden. Auf dem ersten Reichstag zu Speyer 1526 war dieser Beschluss teilweise revidiert worden, indem die Ausführung des Wormser Edikts den Reichsständen überlassen wurde. Bis zu einem Konzil sollte jeder Fürst es mit der Religion so halten, wie er es "vor König und Gott" rechtfertigen könne. Der Hintergrund zu dieser fast liberalen Haltung war, dass Kaiser Karl V. - eigentlich ein entschiedener Gegner der Reformation - mit einem Krieg gegen Frankreich beschäftigt war. Da konnte er einen religiösen Nebenkriegsschauplatz in Deutschland nicht gebrauchen. Auf dem zweiten Reichstag zu Speyer 1529 wollte nun Kaiser Karl V. durch die Aufhebung der Beschlüsse von 1526 die religiöse Uneinigkeit zwischen katholischer Mehrheit und evangelischer Minderheit beenden. Inzwischen hatte er nämlich seinen Krieg gegen den französischen König gewonnen und wollte nun die "lutherische Ketzerei" ausrotten.

Am 19. April 1529 erklärte die Mehrheit der Stände, dass sie Karls Bedenken gegen die liberale Haltung von 1526 teilten. Den Evangelischen - die Bezeichnung "evangelisch" hatte Luther 1521 angeregt - wurde dabei erklärt, sie sollten sich "dem ordentlich und gehörig behandelten Beschlusse" der Mehrheit beugen. Daraufhin verließen die evangelischen Fürsten den Saal. Als sie etwas später wieder zurückkehrten, wollte Karls Bruder Ferdinand, der Karl in Speyer vertrat, den Saal verlassen und weigerte sich, sie anzuhören. So wurden ihre Einwände verlesen: Man protestiere gegen den Beschluss der Mehrheit, den Reichsabschied von 1526 aufzuheben. Ferdinand verlangte daraufhin, sie sollten "den Beschluss annehmen und gehorchen". Die evangelischen Fürsten ließen daraufhin am 20. April die Protestationsschrift überreichen, deren Annahme Ferdinand verweigerte. So kam sie nicht zur Verlesung, gelangte aber als Druckschrift an die Öffentlichkeit. In dieser Protestationsschrift hieß es unter anderem:

"So protestieren und bezeugen wir hiermit offen vor Gott, unserem alleinigen Erschaffer, Erhalter, Erlöser und Seligmacher, der allein unser aller Herzen erforscht und erkennt, auch demnach recht richten wird, auch vor allen Menschen und Kreaturen, daß wir für uns, die Unsrigen und aller männiglich halben in alle Handlung und vermeinten Abschied nicht gehelen noch billigen, sondern aus vorgesetzten und anderen redlichen gegründeten Ursachen für nichtig und unbündig halten."

Auf der Schlusssitzung des Reichstags am 24. April wurde der Reichsabschied noch einmal verlesen, die Protestation der evangelischen Fürsten aber mit keinem Wort erwähnt. Daher trafen sich am 25. April die Räte der evangelischen Fürsten und die Bevollmächtigten der 14 evangelischen Städte und verfassten ein "Instrumentum Appellationis", in dem Beschwerden gegen diesen Reichsabschied noch einmal zusammengefasst wurden. Dieses Schreiben wurde dem Kaiser durch eine Gesandtschaft überbracht. Seit diesem Reichstag nannte man die Anhänger der reformatorischen Bewegung "Protestanten". Zunächst war die Bezeichnung von den Katholiken als Schimpfwort gedacht, die Evangelischen sahen sie jedoch bald als Auszeichnung.

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Quelle: Eigener Bericht


 

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