Immer der Sonne nach
Blütenpflanzen fangen Sonnenlicht mit Photorezeptoren auf und reagieren mit einer kontrollierten Verformung ihrer Zellen. Dabei strecken sich die im Schatten liegenden Zellen, so dass sich ein Blütenstängel in Richtung des Sonnenlichts krümmt. Das bionische System von Ximin He und seinen Kollegen von der University of California in Los Angeles kehrt diesen Effekt um: Einfallendes Licht führt zu einem Schrumpfen auf der beleuchteten Seite eines wenige Zentimeter langen künstlichen Stängels. Einige Versuchsreihen zeigten, dass dabei innerhalb einiger Sekunden Krümmungen von bis zu 150 Winkelgraden möglich waren.
Verantwortlich für dieses Verhalten waren lichtabsorbierende Nanoteilchen aus Gold oder Graphenoxid. Wurden die Stängel beleuchtet, wärmten sich die Nanoteilchen etwas auf. Diese Wärme wurde auf ein spezielles, wärmesensitives Hydrogel um die Nanoteilchen herum abgegeben. Das schrumpfte dadurch etwas und verursachte die Krümmung des bionischen Stängels. Ohne einfallendes Licht kühlte sich das Hydrogel wieder ab und der Stängel ging wieder in seine ursprüngliche, ungekrümmte Form zurück.
He und Kollegen konnten eindrucksvoll zeigen, dass auch künstliche Nanomaterialien einen effizienten Phototropismus vergleichbar mit dem von Sonnenblumen aufweisen. Von einer konkreten Anwendung sind diese bionischen Stängel allerdings noch etwas entfernt. Aber mit robusten Systemen aus zahlreichen, dickeren Stängeln könnten mit Solarzellen bestückte Module zuverlässig und völlig selbstständig dem Lauf der Sonne nachfolgen. Erste Abschätzungen ergaben, dass sich damit die Ausbeute an Solarstrom etwa verdoppeln ließe. Weitere Anwendungen sehen die Forscher in einer selbstständigen Lichtsteuerung von Robotern, sich je nach Sonnenstand automatisch öffnenden und schließenden Fensterjalousien oder in Solarsegeln von Satelliten und Raumsonden.