Handschriftenanalyse von gemeißelten Inschriften
"Das Identifizieren des Steinhauers einer Inschrift ist wesentlich, um den geschriebenen Inhalt zu datieren, was wiederum von fundamentaler Bedeutung in den Geschichts- und Archäologie-Wissenschaften ist", schreibt das Team um Michail Panagopoulos und Constantin Papaodysseus von der Nationalen Technischen Universität Athen. Der Altertumsforscher und Epigraph Stephen Tracy, zurzeit am Institute for Advanced Study in Princeton, hatte den Computerwissenschaftlern die Fotos von 24 antiken gemeißelten Inschriften aus den Jahren 334 bis 134 vor Christi vorgelegt.
Da alte griechische Steininschriften oft nur in Bruchstücken gefunden werden, sind sie sehr schwer zu datieren. Doch Epigraphen wie Tracy erkennen an kleinen Eigenheiten einzelner Buchstaben eine typische Handschrift einzelner Meißelkünstler. So können sie Inschriften statt auf mehrere Jahrhunderte genau - in welchem Verlauf sich die Schrift insgesamt veränderte - auf weniger als hundert Jahre genau datieren.
Die Computerforscher wählten für ihre Analyse sechs Großbuchstaben mit speziellen Formdetails: A (lpha), O (mikron), S (igma), M (y), N (y) sowie P (=Rho). Zunächst berechneten die Forscher einen idealen Prototyp für jeden Buchstaben, indem sie Bilder der Buchstaben aus verschiedenen Inschriften übereinander legten. Dann führten sie statistische Kriterien ein, wie die Buchstaben einzelner Schreiber statistisch variieren könnten - denn zwei identisch aussehende Buchstaben müssen nicht notwendigerweise vom selben Steinhauer stammen. Schließlich nutzten sie Erwägungen maximaler Wahrscheinlichkeit, um alle Inschriften unterschiedlichen Schreibern zuzuschreiben. Auf diese Weise ordneten sie alle 24 Inschriften sechs Autoren zu - und kamen zum selben Ergebnis wie Tracy und seine Epigraphen-Kollegen.