Handschriftenanalyse von gemeißelten Inschriften

Auch bei in Stein gehauenen antiken Texten können statistische Vergleiche schnell unterschiedliche Schreiber identifizieren
Athen (Griechenland) - Von wann stammt eine steinerne Inschrift aus dem alten Griechenland? Wer die Handschrift erkennt, kennt auch in etwa das Datum einer Inschrift auf Jahrzehnte genau - doch ein eckig gemeißeltes M im Marmor kann von zwei verschiedenen Steinhauern sehr ähnlich oder vom selben Steinhauer auch sehr unterschiedlich aussehen. Jetzt ist solch archäologische Detektivarbeit, die bisher Expertenaugen und viel Erfahrung brauchte, dank Computertechnik deutlich einfacher geworden. Athener Computerforscher übertrugen den aufwändigen Detailvergleich auf ein technisches Analysesystem. Erfolgreich wies es 24 griechische Steininschriften auf Fotos korrekt sechs unterschiedlichen Schöpfern zu. Die Methode dürfte die Arbeit von Archäologen vereinfachen - rund 50.000 Inschriften aus dem antiken Athen und Attika sind bekannt, aber nur teilweise datiert. Eine Datenbank der Details von Inschriften und Attributen bekannter Steinhauer ist geplant und dürfte neu gefundene Proben schnell identifizieren helfen, so die Forscher im Fachblatt "IEEE Transactions on Pattern Analysis and Machine Intelligence".

"Das Identifizieren des Steinhauers einer Inschrift ist wesentlich, um den geschriebenen Inhalt zu datieren, was wiederum von fundamentaler Bedeutung in den Geschichts- und Archäologie-Wissenschaften ist", schreibt das Team um Michail Panagopoulos und Constantin Papaodysseus von der Nationalen Technischen Universität Athen. Der Altertumsforscher und Epigraph Stephen Tracy, zurzeit am Institute for Advanced Study in Princeton, hatte den Computerwissenschaftlern die Fotos von 24 antiken gemeißelten Inschriften aus den Jahren 334 bis 134 vor Christi vorgelegt.

Da alte griechische Steininschriften oft nur in Bruchstücken gefunden werden, sind sie sehr schwer zu datieren. Doch Epigraphen wie Tracy erkennen an kleinen Eigenheiten einzelner Buchstaben eine typische Handschrift einzelner Meißelkünstler. So können sie Inschriften statt auf mehrere Jahrhunderte genau - in welchem Verlauf sich die Schrift insgesamt veränderte - auf weniger als hundert Jahre genau datieren.

Die Computerforscher wählten für ihre Analyse sechs Großbuchstaben mit speziellen Formdetails: A (lpha), O (mikron), S (igma), M (y), N (y) sowie P (=Rho). Zunächst berechneten die Forscher einen idealen Prototyp für jeden Buchstaben, indem sie Bilder der Buchstaben aus verschiedenen Inschriften übereinander legten. Dann führten sie statistische Kriterien ein, wie die Buchstaben einzelner Schreiber statistisch variieren könnten - denn zwei identisch aussehende Buchstaben müssen nicht notwendigerweise vom selben Steinhauer stammen. Schließlich nutzten sie Erwägungen maximaler Wahrscheinlichkeit, um alle Inschriften unterschiedlichen Schreibern zuzuschreiben. Auf diese Weise ordneten sie alle 24 Inschriften sechs Autoren zu - und kamen zum selben Ergebnis wie Tracy und seine Epigraphen-Kollegen.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Automatic Writer Identification of Ancient Greek Inscriptions", Michail Panagopoulos; Constantin Papaodysseus, Panayiotis Rousopoulos, Dimitra Dafi, Stephen Tracy; IEEE Transactions on Pattern Analysis and Machine Intelligence, Volume 31, Issue 8, S. 1404 - 1414


 

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