Gewitter mit Rekord-Spannungen

Indischer Detektor für kosmische Strahlung ermittelt gewaltige atmosphärische Spannungen von mehr als einer Milliarde Volt
GRAPES-3-Detektor für kosmische Strahlung im südindischen Ooty.
GRAPES-3-Detektor für kosmische Strahlung im südindischen Ooty.
© S. Gupta, GRAPES-3-Koll.
Ooty (Indien) - Am 1. Dezember 2014 entlud sich in Indien ein Gewitter mit enormen Spannungen von mehr als einer Milliarde Volt. Bisher lag der Rekord für solche atmosphärischen Spannungen mit 130 Millionen Volt bei etwa einem Zehntel, gemessen mit Wetterballonen während eines Gewitters in New Mexico in den 1990er Jahren. Wie indische und japanische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichten, ermittelten sie den neuen Spitzenwert mit einem Detektor für kosmische Strahlung im südindischen Ooty im Bundesstaat Tamil Nadu. Die hohen Spannungen könnten auch eine Erklärung für die Entstehung von Gamma-Strahlung in der Erdatmosphäre liefern.

Der Detektor GRAPES-3 weist mit etwa 400 so genannten Szintillatoren, aufgestellt auf einer 25.000 Quadratmeter großen Fläche, geladene kosmische Teilchen wie Myonen nach. Treffen die Myonen auf einen Szintillator, erzeugen sie in einem speziellen Kunststoff kleinste Lichtblitze durch Lumineszenz. Aus der Intensität dieses Lichts lässt sich auf die Energie der kosmischen Myonen zurückschließen. Nun hatten die Physiker am GRAPES-3-Detektor bei Gewittern schon häufiger erhöhte Energiewerte für die Myonen gemessen. Daher kamen sie auf die Idee, mit ihrem Detektor die atmosphärischen Spannungen während eines Gewitters genauer zu analysieren.

Sunil Gupta und seine Kollegen vom Cosmic Ray Laboratory in Ooty untersuchten die Messungen, die bei 184 Gewittern zwischen April 2011 und Dezember 2014 durchgeführt wurden. Das Gewitter am 1. Dezember 2014 verursachte die mit Abstand größten Myonenenergien. „Dieses Gewitter speicherte eine Energie von fast einer Billion Joule“, sagt Gupta. Etwas vereinfacht entsprach das Gewitter einem gigantischen, 400 Quadratkilometer großen Kondensator. Zwischen zwei Schichten in der gewittrigen Atmosphäre bauten sich enorme elektrische Spannungen auf. Durch diese Spannungen wurden die geladenen Myonen in Richtung Erdoberfläche beschleunigt und mit dem GRAPES-3-Detektor nachgewiesen. Aus den Messwerten konnten Gupta und Kollegen auf eine atmosphärische Gewitterspannung von 1,3 Milliarden Volt schließen.

Diese Messungen belegen, dass nicht nur Wetterballone, sondern auch Detektoren für kosmische Strahlung für die Analyse von Gewittern geeignet sind. Der neue Rekordwert von 1300 Millionen Volt könnte auch eine schlüssige Erklärung für ein bisher nicht genau erklärtes Phänomen liefern. Denn seit knapp drei Jahrzehnten konnte bei Gewittern immer wieder mal hochenergetische Gamma-Strahlung nachgewiesen werden. Spannungen von wenigen hundert Millionen Volt reichen für die Bildung von Gamma-Strahlung allerdings nicht aus. So liefert der neue Rekordwert ein wichtiges Indiz dafür, dass Gewitterspannungen allein doch für die Bildung von Gamma-Strahlung verantwortlich sein können.

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