Auf den Spuren der Philister
Im Herbst 2002 hatte der israelische Archäologe Raz Kletter von der israelischen Antikenverwaltung mit seinem Team in einem räumlich äußerst begrenzten, aber extrem fundreichen Gebiet in Yavne, gut 20 Kilometer südlich von Tel Aviv, gegraben. Das Grabungsgebiet beschränkte sich auf eine Grube von gerade einmal 2 Metern Durchmesser und 1,5 Metern Tiefe. Trotzdem fanden sich hier über 7000 Kultgegenstände aus dem 9. und 8. Jahrhundert vor Christus. So viel war in über 100 Jahren Forschungsgeschichte noch nie in Israel gefunden worden. Anfangs wurde der Sensationsfund weitgehend geheim gehalten. Die Grabungsarbeiten sollten nicht durch Besucher gestört werden, die sich dann - vor allem am Wochenende - eigenmächtig als Archäologen hätten betätigen und wertvolle Funde mitnehmen können. Nach der Sichtung der Fundstücke zeigte sich, dass sie zunächst umfassend restauriert werden müssten. Dieser Prozess nahm Jahre in Anspruch, so dass erst jetzt erste Ergebnisse vorliegen.
Inzwischen hat sich auch von deutscher Seite der biblische Archäologe Wolfgang Zwickel von der Universität Mainz dem Team angeschlossen. Gemeinsam haben die Forscher die erste Fundgruppe rekonstruiert. Es handelt sich um Tonmodelle, die einen Kultbau abbilden und etwa so groß wie ein Schuhkarton sind. Auf der Vorderseite und auf den Seitenbereichen sind Tiere, vor allem Stiere und Löwen, sowie nackte Göttinnen abgebildet. Insgesamt konnten rund 120 dieser Architekturmodelle rekonstruiert werden. Von offiziellen Grabungen aus über 100 Jahren Forschung finden sich rund 30 Parallelen hierzu. Die in Yavne gefundenen Gegenstände wurden in dieser Grube wohl kultisch bestattet, als sie in einem nahegelegenen, aber bislang nicht ausgegrabenen Heiligtum nicht mehr benötigt wurden.
Die Stadt Yavne gehörte in jener Zeit zum Gebiet der Philister, einer Seevölkergruppe, deren Herkunft bis heute im Dunkeln liegt. Seit dem 14. Jahrhundert vor Christus sind sie zu Wasser über das Mittelmeer und zu Lande über Kleinasien in die westlichen Randgebiete des Vorderen Orients eingewandert. Um 1200 vor Christus sind die Philister möglicherweise mit Absicht von den Ägyptern in der südpalästinischen Küstenebene angesiedelt worden, um als militärischer Beistand gegen andere Völker zu dienen. Als die ursprüngliche Heimat der Philister wird in der Forschung teils Kreta, teils Illyrien angenommen. Vieles deutet darauf hin, dass sie jedenfalls keine Semiten waren. Sie trugen ihre Haare anders als die Völker des Vorderen Orients, hatten andere Waffen, die Männer waren unbeschnitten, und sie brachten eine besondere Form der Keramik mit. Die Tonmodelle, die die Forscher entdeckt hatten, stammen möglicherweise von den Philistern oder aus ihrem kulturellen Einflussbereich. "Bei der Klärung der Frage, wofür die Architekturmodelle denn eigentlich benutzt worden waren, zeichnen sich inzwischen sensationelle Ergebnisse ab, die wir aber erst noch durch weitere Untersuchungen überprüfen müssen", sagt Wolfgang Zwickel. "Offenbar wurden darin Materialien verbrannt, die zu Halluzinationen führen können."