Wenn der Chef zur Nervensäge wird
"Charismatische Führungspersönlichkeiten machen Menschen glücklich und das erklärt, warum Menschen sich von ihnen so angezogen fühlen", sagt Amir Erez von der University of Florida. "Aber es gibt da eine bisher wenig verstandene dunkle Seite des Charismas." Erez und seine Kollegen luden fast 400 Studenten zwischen 17 und 44 Jahren zu Gruppenexperimenten ein: Sie sollten sich vorstellen, sie hätten sich in einer Wildnis verirrt und müssten nun Entscheidungen über Überlebensstrategien treffen. In jeder Gruppe gab es einen Gruppenführer, dessen Qualitäten die Teilnehmer später beurteilen sollten. Vor und nach dem Experiment wurde die Stimmung der Teilnehmer gemessen. Während des Experiments nahmen 172 weitere Versuchspersonen die jeweiligen Gruppenführer auf Video auf und bewerteten diese im Hinblick auf die Fähigkeit, positive Stimmungen zu erzeugen, aber auch darauf, die Gruppenmitglieder aufzurütteln und anzutreiben.
Die Auswertung der Urteile über die Gruppenführer und die Messungen der jeweiligen Stimmungen zeigte, dass positive Gesten wie Lächeln und Lachen die Stimmung der geführten Gruppe positiv beeinflusste. Wenn ein Gruppenführer jedoch zu laut wurde, wild gestikulierte und seine Leute aufrütteln wollte, verschlechterte sich deren Stimmung erheblich.
"Die landläufige Meinung ist, dass es eine gute Führungsmethode sei, äußerst ausdrucksvoll zu sein, aber unsere Studie nährt Zweifel daran, ob gerade die Fähigkeit, Menschen aufzuwecken, am Arbeitsplatz gute Ergebnisse erbringt", erklärt Erez. "Es ist klar, dass charismatische Führer eine gute Stimmung erzeugen, aber sie könnten noch einen positiveren Einfluss erlangen, wenn sie lernen, nicht über das Ziel hinauszuschießen."