Kein Abfallprodukt: Alzheimer-Proteine zeigen antibiotische Wirkung
"Wir dachten immer, dass das Beta-Amyloid nur ein Abfallprodukt des Hirnstoffwechsels wäre. Aber diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass es ein normaler Bestandteil der angeborenen Immunabwehr des Gehirns ist", sagt Rudolph Tanzi vom Massachusetts General Hospital in Boston. Verschiedene Formen von Beta-Amyloid-Peptiden entstehen mithilfe eines Enzyms durch Abspaltung von einem Vorläuferprotein. Bei Alzheimer-Patienten bilden die beiden Peptide A-beta 40 und A-beta 42 Ablagerungen, die Gehirnzellen abtöten. Robert Moir, ein Mitglied des Forschungsteams, entdeckte eine Ähnlichkeit in den Molekülstrukturen dieser Beta-Amyloide und dem menschlichen Peptid LL-37, dessen antimikrobielle Wirkung bekannt ist. Die Forscher verglichen nun die Wirkung von LL-37 und den Beta-Amyloiden auf das Wachstum von Mikroben.
Die beiden chemisch synthetisierten Beta-Amyloide hemmten das Wachstum von acht der getesteten 15 Mikroben, darunter Candida albicans, Streptokokken, Listerien und Staphylokokken. In der Mehrzahl der Fälle war die Wirkung der Beta-Amyloide sogar stärker als die des bekannten antimikrobiellen Peptids LL-37. A-beta 42 war meistens effektiver als A-beta 40. Das Wachstum von Candida-Hefen wurde auch durch Gewebeproben aus dem Gehirn von Alzheimer-Patienten gehemmt. Als Kontrolle eingesetzte Hirnproben von Menschen, die nicht an der Demenz erkrankt waren, zeigten keine Wirkung.
Die Forscher vermuten, dass eine Infektion des zentralen Nervensystems oder Verletzungen dazu führen könnten, dass Beta-Amyloide im Überschuss produziert und abgelagert werden. "Jetzt müssen wir herausfinden, was das angeborene Immunsystem - insbesondere im Alter - aktiviert und welche Gene dabei die Funktion der Beta-Amyloide kontrollieren", sagt Moir. Dann wäre es vielleicht auch möglich, neue Therapien zu entwickeln, die diese krankhafte Reaktion der Immunabwehr verhindern.