Jäger und Sammler mit ungewöhnlicher Darmflora

Bei Menschen aus dem Volk der Hazda in Tansania fehlen bestimmte Darmbakterien, die bisher als gesundheitsfördernd galten
Das Volk der Hadza lebt noch immer als Jäger und Sammler.
Das Volk der Hadza lebt noch immer als Jäger und Sammler.
© Idobi / Creative-Commons (CC BY-SA 3.0), http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Leipzig - Mit dem Übergang von einer Jäger-und-Sammler-Kultur zu Ackerbau und Viehzucht hat sich die Ernährung des Menschen drastisch verändert. Das wirkte sich auch auf das Artenspektrum der Darmkeime aus, berichten deutsche und italienische Forscher im Fachblatt „Nature Communications”. Sie haben erstmals sämtliche Darmbakterien von Menschen der Hazda analysiert, einer afrikanischen Volksgruppe, die heute noch als Jäger und Sammler lebt. Im Vergleich zu Bewohnern der Industrieländer beherbergt ihr Darm eine weitaus größere Vielzahl unterschiedlicher Bakterienarten, darunter zahlreiche unbekannte Spezies. Überraschenderweise fehlten Bifidobakterien ganz, obwohl gerade diese bisher als Merkmal einer gesunden Darmflora angesehen wurden. Offenbar hängt es stark von der Ernährung und der Lebensweise ab, welche Keimarten zu einem gesunden Darm gehören.

„Die Darmkeime des Menschen sind lebenswichtig für unsere Ernährung, den Stoffwechsel und die Immunfunktion“, schreiben Amanda Henry vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und ihre Kollegen. Die Ergebnisse ihrer genetischen Untersuchungen lassen darauf schließen, wie das Artenspektrum dieser Bakterien an ein Leben als Jäger und Sammler – der ursprünglichen Lebensform des Menschen – angepasst war. Die Forscher analysierten die gesamte bakterielle DNA aus Stuhlproben von 27 Mitgliedern des Hadza-Volkes aus Tansania. Als Vergleich dienten Proben von 16 Italienern aus Bologna, die sich landesüblich ernährten. Die Nahrung der Hadza besteht zu 70 Prozent aus pflanzlicher Kost – Knollen, Blätter und Früchte. Außerdem sammeln die Menschen Honig und gehen auf die Jagd. Sie ernähren sich also sehr ballaststoffreich, fettarm und ganz ohne Getreide- und Milchprodukte.

Das ist wahrscheinlich die Ursache für die ungewöhnliche Zusammensetzung ihrer Darmflora: Es überwogen Arten, die pflanzliche Polysaccharide effektiv abbauen können. Darunter waren bekannte Spezies von Prevotella, Bacteroides und Clostridien – aber auch von Treponema – und zahlreiche noch nicht identifizierte Arten. Ein Drittel aller Bakteriengattungen ließ sich keinen bekannten Mikroben zuordnen. Erstaunlicherweise zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen, was bei ähnlichen Analysen anderer Bevölkerungsgruppen bisher nicht beobachtet wurde. Die Forscher erklären das mit der strikten Arbeitsteilung und einer unterschiedlichen Ernährung weiblicher und männlicher Hadza.

Besonders überraschend aber war das völlige Fehlen von Bifidobakterien, einer Bakteriengattung, die in den Industrieländern wegen ihrer gesundheitsfördernden Eigenschaften sogar als Bestandteil von Präparaten probiotischer Bakterien verabreicht wird. Bifidobakterien gelangen mit der Muttermilch in den Darm des Säuglings und bilden in den ersten Lebensmonaten einen großen Anteil der Darmkeime. Die Forscher vermuten, dass diese Bakterien bei den Hazda nach der Entwöhnung verdrängt werden, da die Menschen keine Milchprodukte essen. Weil zudem ein Kontakt zu Haustieren fehlt, könnten auch auf diesem möglichen Weg später keine solchen Keime mehr in den Darm gelangen. Auch bei Veganern findet man nur eine geringe Zahl an Bifidobakterien.

Wichtig für eine gesunde Darmflora sei wohl vor allem ein breites Artenspektrum; einzelne Keimarten spielen eine geringere Rolle, so die Autoren. Eine ausbalancierte Mischpopulation zahlreicher Spezies sorgt für Stabilität und kann vor Krankheiten schützen. Die Hazda sind eine der letzten noch existierenden Jäger-und-Sammler-Kulturen. Die Forscher gehen davon aus, dass ihr Lebensstil weitgehend dem von Menschen der Altsteinzeit entspricht. Im Hinblick auf die menschliche Evolution wäre es nun interessant, auch die Zusammensetzung der Darmkeime von Schimpansen mit der des Menschen zu vergleichen.

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