Dinosaurier waren keine schnellen Brüter

Analyse fossiler Saurier-Eier ergibt ein im Vergleich zu Vögeln sehr langsames Wachstum der Embryonen – die Jungen schlüpften erst Monate nach der Eiablage
Skelett eines nicht geschlüpften Protoceratops-Embryos
Skelett eines nicht geschlüpften Protoceratops-Embryos
© AMNH/M. Ellison
Tallahassee (USA) - Bis aus einem Dinosaurier-Ei ein Junges schlüpfte, dauerte viel länger als bisher vermutet. Das schließen US-amerikanische und kanadische Forscher aus Untersuchungen fossiler Eier mit nahezu vollständig entwickelten Embryonen. Die Analyse bestimmter Zahnstrukturen ergab, dass die Saurier je nach Größe drei bis sechs Monate bis zum Schlüpfen benötigten. Damit entspricht die Bebrütungsdauer der Eier eher der von Krokodilen als der von Vögeln, berichten die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“. Das spricht dafür, dass die Echsen ihre Eier nur vergraben und nicht selbst warm gehalten haben. Hätten sich die Embryonen – unter Berücksichtigung der Eiergröße – ähnlich schnell entwickelt wie Vogelküken, wären die Dinosaurier schon nach der Hälfte der jetzt berechneten Zeit geschlüpft. Die langsame Entwicklung der Jungen könnte bei ungünstigen Umweltbedingungen von großem Nachteil gewesen sein und zum Aussterben der Dinosaurier beigetragen haben.

„Unsere Ergebnisse könnten vermutlich helfen zu verstehen, warum die Dinosaurier am Ende der Kreidezeit ausgestorben sind, während andere Reptilien sowie Amphibien, Vögel und Säugetiere bis heute überlebt haben“, sagt Gregory Erickson von der Florida State University in Tallahassee, der Leiter des Forscherteams. Verschiedene Vogelarten bebrüten ihre Gelege je nach Größe der Eier nur 11 bis 85 Tage lang. Bei heute lebenden Reptilien dauert es, umgerechnet auf dieselbe Eigröße, doppelt so lange, bis die Entwicklung des Embryos abgeschlossen ist. Ein Grund dafür ist die Erwärmung beim Brüten im Vogelnest. Da zumindest einige Arten der Saurier warmblütig waren, ging man davon aus, dass ihre Jungen ähnlich schnell schlüpften wie die Küken der Vögel und dass die Vögel als Nachkommen der Saurier dieses Merkmal übernommen hätten. Jetzt stellt sich heraus, dass dies nicht so ist.

Die Forscher wählten zwei Arten von Dinosauriern aus der Gruppe der Ornithischia aus, von denen Funde versteinerter Eier mit bereits weit entwickelten Embryonen verfügbar waren. Das Ei des knapp zwei Meter langen Protoceratops andrewsi wog 194 Gramm. Der etwa neun Meter lange Hypacrosaurus stebingeri aus der Gruppe der Hadrosaurier legte Eier von der Größe eines Volleyballs, die mit einem Gewicht von mehr als vier Kilogramm zu den größten Saurier-Eiern zählen. Mit Hilfe von Computertomographie-Scans der Kiefer stellten die Wissenschaftler zunächst den Entwicklungsstand der Zahnbildung fest. Mit einem Spezialmikroskop untersuchten sie dann Präparate einzelner Zähne. Im Dentin, der knochenähnlichen Kernsubstanz aller Zähne, identifizierten sie Wachstumszonen, die an Jahresringe eines Baumstamms erinnern – während der Zahnbildung entstand genau eine Wachstumslinie pro Tag. „Wir brauchten die Linien nur zu zählen, um herauszufinden, wie lange die Entwicklung gedauert hat“, sagt Erickson.

Es zeigte sich, dass die Protoceratops-Embryonen bei ihrem Tod 83 Tage und die größeren Hypacrosaurus-Embryonen 171 Tage alt waren. Diese Entwicklungszeiten sind mehr als doppelt so lang, wie sie es für Vögel wären, die – rein theoretisch – gleich große Eier legen würden. Dagegen stimmen die ermittelten Zeiten gut mit denen überein, die bei heutigen Reptilien zu erwarten wären. Demnach verkürzte sich die Bebrütungsdauer bei den Vögeln im Lauf der Evolution erst, nachdem sich die Entwicklungslinien von Vögeln und Reptilien bereits getrennt hatten. Es wäre jetzt interessant, Eier von Dinosauriern zu untersuchen, die wie die befiederten Velociraptoren enger mit den späteren Vögeln verwandt sind, schreiben die Autoren.

Die sehr lange Entwicklungsdauer in den Eiern könnte sich für die Saurier als nachteilig erwiesen haben. Denn dadurch war der Nachwuchs längere Zeit durch Nesträuber bedroht und widrigen Umwelteinflüssen schutzlos ausgesetzt. Die deutlich schnellere Entwicklung bei frühen Vögeln und Säugetieren könnte diesen Konkurrenten einen Überlebensvorteil verschafft haben, der ihnen geholfen hat, das große Artensterben vor 65 Millionen Jahren zu überstehen – was den Dinosauriern nicht gelungen ist.

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