Was probiotische Joghurts wirklich bewirken
Zu den langfristigen Zielen dieser Art von genetischen Studien gehöre es, die Gesamtheit der Darmkeime gewissermaßen als Biosensoren für das Wohlbefinden zu nutzen und sie so zu beeinflussen, dass die Gesundheit verbessert wird, schreiben Jeffrey Gordon von der Washington University in St. Louis und seine Kollegen. Für ihre Experimente setzten sie einen kommerziell erhältlichen probiotischen Joghurt ein, der Bifidobakterien (Bifidobacterium animalis) und verschiedene Milchsäurebakterien enthielt (Lactococcus lactis, Streptococcus thermophilus und zwei Stämme von Lactobacillus delbrueckii). Davon aßen sieben Paare erwachsener eineiiger Zwillinge sieben Wochen lang zweimal täglich eine Portion. Während dieser Zeit, sowie vier Wochen vorher und nachher ermittelten die Forscher durch DNA-Analysen mehrerer Stuhlproben die Zusammensetzung der Darmflora. Diese wies bei den genetisch identischen und gemeinsam aufgewachsenen Zwillingen große Ähnlichkeiten auf. Es zeigte sich, dass der Joghurtkonsum das Spektrum der Bakterienarten nicht veränderte. Die im Joghurt enthaltenen Bakterien konnten sich nicht dauerhaft im Darm einnisten.
Für die zweite Versuchsanordnung gingen die Forscher von keimfrei aufgezogenen Mäusen aus, deren Darm frei von Bakterien war. Den Tieren wurde ein Gemisch von 15 Bakterienarten verabreicht, die alle zu den normalen Darmkeimen des Menschen zählen. Die DNA-Sequenzen sämtlicher Gene dieser Mikroben waren bekannt, so dass man durch genetische Tests prüfen konnte, welche Gene eingeschaltet sind. Die Tiere mit den menschlichen Darmbakterien erhielten ebenfalls den probiotischen Joghurt. Auch hier stellte sich heraus, dass die Neuankömmlinge die Mischpopulation der Erstbesiedler nicht verändern konnten. Wie in der Zwillingsstudie blieben die Bifidobakterien am längsten im Darm nachweisbar, während Lactococcus lactis nur kurze Zeit überlebte. Die anderen Bakterien des Joghurts starben schnell ab. Messungen von Genaktivitäten sowie die Analyse von Urinproben der Mäuse zeigten aber, dass sich der Stoffwechsel der Darmbakterien durch den Joghurtkonsum verändert hatte. Insbesondere waren Gene von Enzymen verstärkt aktiv, die die Verwertung pflanzlicher Kohlenhydrate steuern. Diese Veränderungen traten bereits am ersten Tag der Joghurtzufuhr ein und hielten auch lange an.
Die Forscher vermuten, dass der Effekt hauptsächlich auf die Bifidobakterien zurückzuführen ist und eine gesundheitsfördernde Wirkung haben könnte. Der genaue Mechanismus soll durch weitere Analysen der komplexen Wechselwirkungen zwischen etablierten Darmkeimen, probiotischen Bakterien und dem menschlichen Wirt aufgeklärt werden. Daraus könnten sich dann neue Strategien für therapeutische Einsätze zur Behandlung von Darmerkrankungen ergeben. Es sei durchaus denkbar, dass dabei nicht nur die Bakterien, sondern auch Bestandteile des von ihnen erzeugten Joghurts eine wichtige Rolle spielen, schreiben Jordan Bisanz und Gregor Reid von derUniversity of Western Ontario in einem begleitenden Kommentar. Sie bezeichnen die bisher aufwendigste und umfassendste Arbeit zu diesem Thema, an der auch Forscher der Firma Danone beteiligt waren, als vielversprechendes Konzept zur endgültigen Klärung der Frage, welchen konkreten Nutzen eine Nahrungsergänzung mit probiotischen Bakterien hat.
"Unraveling How Probiotic Yogurt Works", Jordan E. Bisanz, Gregor Reid, Science Translational Medicine, Vol. 3 (106), 106ps41