Schimpansen: Nachbarn knacken anders

Angrenzende Gemeinschaften nutzen unterschiedliche Werkzeuge zum Öffnen von Nüssen
Wilder Schimpanse beim Nüsseknacken
Wilder Schimpanse beim Nüsseknacken
© Luncz et al. Current Biology
Leipzig - Benachbarte Schimpansengruppen legen verschiedene Techniken beim Nüsse-Knacken an den Tag. Sowohl Material als auch Größe der eingesetzten Werkzeuge unterscheiden sich. Wie Anthropologen aus Leipzig im Fachblatt „Current Biology“ berichten, konnten sie dieses Verhalten bei Schimpansen in freier Wildbahn beobachten. Die Forscher liefern damit einen eindeutigen Beleg für kulturelle Eigenheiten unter den Primaten. Bisherige Studien hatten Beweise für unterschiedliche Kulturen vor allem zwischen Populationen gefunden, die durch weite Entfernungen und verschiedene Lebensräume voneinander getrennt sind. Das machte es schwierig, die beobachteten Unterschiede eindeutig dem Vorhandensein einer Kultur zuzuschreiben. In diesen Fällen würden auch ökologische oder genetische Variationen als Ursache in Frage kommen.

„Wir haben Unterschiede in der Auswahl des Hammers dokumentiert, in einem einzelnen Waldabschnitt mit Mitgliedern von drei unterschiedlichen, benachbarten Schimpansen-Gemeinschaften, die in regelmäßigem Kontakt miteinander stehen und sich dadurch genetisch nicht voneinander differenziert haben“, erläutert Erstautorin Lydia Luncz vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Im Taï National Park in der südwestlichen Elfenbeinküste hatten die Anthropologen 45 Schimpansen aus drei angrenzenden Gruppen beobachtet. Für insgesamt neun Monate in drei aufeinanderfolgenden Jahren während der Nuss-Saison analysierten sie, welche Hämmer – aus Holz oder Stein, klein oder groß – die Primaten zum Öffnen Afrikanischer Walnüsse (Coula edulis) einsetzen. Baumwurzeln dienen den Tieren dabei als Amboss.

Die Forscher stellten fest: Es gibt zwischen den Gemeinschaften merkliche Unterschiede in der Technik des Nüsse-Knackens. Im Laufe einer Saison verändert sich die Härte der Nussschale – zu Beginn ist diese widerstandsfähiger und die Nüsse sind schwerer zu knacken als gegen Ende. Schimpansen aus zwei der beobachteten Gruppen reagieren auf diese Tatsache, indem sie mit fortschreitender Saison seltener Steinhämmer suchen, die im tropischen Regenwald schwerer aufzutreiben sind als Holzwerkzeuge. In der dritten Gruppe dagegen greifen die Primaten später in der Saison vergleichsweise häufiger zum Steinhammer. Auch in ihrer Vorliebe für die Größe der Werkzeuge unterschieden sich die drei Gruppen.

Geschlecht und Alter der Tiere spielen dabei keine Rolle. Weibchen, die im Erwachsenenalter ihre ursprüngliche Gruppe verlassen und sich einer anderen anschließen, übernehmen die Methode der neuen Gemeinschaft. In dem beobachteten Verhalten sehen die Anthropologen ein deutliches Anzeichen von Kultur, denn es herrschen die gleichen Umweltbedingungen und es gibt keine wesentliche genetische Variation zwischen den Gruppen, da erwachsene Schimpansenweibchen häufig in eine andere Gruppe wechseln. „Auf viele Weisen sind Schimpansen uns Menschen sehr ähnlich“, sagt Seniorautor Christophe Boesch. „Indem wir Ähnlichkeiten zu unseren nächsten Verwandten in ihrer natürlichen Umgebung in Afrika studieren, haben wir die einmalige Gelegenheit, mehr über die evolutionären Wurzeln der Kultur zu lernen, die für uns Menschen eines der Schlüsselelemente unserer Identität ist.“

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Evidence for cultural differences between neighboring chimpanzee communities”, Luncz et al., Current Biology, DOI 10.1016/j.cub.2012.03.031


 

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