Langzeitstudie bestätigt: Persönlichkeit beeinflusst Alzheimer-Risiko

Wer sich in mittleren Lebensjahren viel sorgt, ängstigt und unzufrieden ist, leidet im Alter eher an der Demenzerkrankung
Göteborg (Schweden) - Die Persönlichkeit beeinflusst womöglich das Alzheimer-Risiko: Eine unausgeglichene Stimmungslage und Unzufriedenheit in mittleren Jahren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, im Alter an dem massiven Demenzleiden zu erkranken. Diese Annahme bestätigen schwedische Forscher nun auch durch eine Langzeitstudie mit 800 Frauen, die über einen Zeitraum von knapp vier Jahrzehnten beobachtet wurden. Demnach hatten Frauen, die sich in mittleren Jahren viel Sorgen machen, über Unsicherheiten, Ärger und Ängste klagen und zu Stimmungstiefs und Nervosität neigen, ein deutlich größeres Risiko für Alzheimer. Wie die Mediziner im Fachblatt „Neurology“ berichten, ist der entscheidende Faktor dabei lang anhaltender Stress.

„Die meiste Forschung zu Alzheimer war Einflüssen gewidmet wie Bildung, Herz und Blut betreffende Risikofaktoren, Kopfverletzungen, Familiengeschichte und Genetik“, erläutert Lena Johannsson von der Universität Göteborg. Die Persönlichkeit könne das Risiko für Demenz beeinflussen, indem sie einen Effekt hat auf Verhalten, Lebensstil oder die Reaktionen auf Stress. Johannsson und ihre Kollegen hatten in ihrer Studie die Daten von 800 Frauen ausgewertet, die zu Beginn der Erhebung im Jahr 1968 zwischen 38 und 54 Jahre alt waren. Erneute Untersuchungen fanden 1974, 1980, 1992, 2000 und 2005 statt. Bis zur letzten waren allerdings viele der Teilnehmerinnen bereits verstorben und aus dem Jahr 2005 standen lediglich noch Daten von 293 Probandinnen zur Verfügung. Neben Stressbelastung sowie den beiden zentralen Persönlichkeitseigenschaften Neurotizismus und Extraversion war auch das Auftreten von Demenz und Alzheimer im Laufe der Jahre erfasst worden. Neurotizismus beschreibt, wie labil jemand emotional ist. Ein hoher Wert bedeutet beispielsweise, dass die Person eher nervös, reizbar, launisch, unzufrieden und unsicher ist und auch stark auf Stress reagiert. Extraversion dagegen bezeichnet, wie offen und kontaktfreudig jemand ist.

Von den Probandinnen entwickelten im Laufe der 38 Jahre 104 Alzheimer. Es stellte sich heraus: Ein hoher Wert für Neurotizismus in der Lebensmitte war verbunden mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer. Auch ging dies über den Studienverlauf von 38 Jahren hinweg mit lang anhaltendem Stress einher. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen hohen Neurotizismus-Werten und erhöhtem Alzheimer-Risiko verringerte sich, wenn eben diese Dauerbelastung mit Stress in die Berechnungen einbezogen wurde. Das lege nahe, so die Forscher, dass der Stress eine zentrale Rolle für diesen Zusammenhang spielt. Ein hohes Maß an Extrovertiertheit stand zwar nicht im Zusammenhang mit dem Alzheimer-Risiko, war aber verbunden mit einem geringeren Aufkommen von Langzeitstress. Wurden beide Persönlichkeitsmerkmale kombiniert, trat das höchste Alzheimer-Risiko bei hohem Neurotizismus und niedriger Extraversion auf.

„Unsere Ergebnisse sollten im Licht früherer Forschungsergebnisse betrachtet werden, laut denen Stress in der Lebensmitte und eine Reihe psychosozialer Stressfaktoren das Risiko für Alzheimer erhöhen“, schreiben Johannsson und ihre Kollegen. Mögliche Erklärungen für die beobachteten Zusammenhänge nennen die Mediziner einige: Es sei etwa denkbar, dass Neurotizismus anfälliger macht für Stressfaktoren, was späteren wiederum zur Entwicklung von Demenz führt. Außerdem kommt ihrer Meinung nach ein Einfluss der Persönlichkeit auf Verhalten und Gewohnheiten in Frage. So hätten Menschen mit niedrigeren Werten beispielsweise häufiger einen gesünderen Lebensstil. Darüber hinaus halten sie für möglich, dass sowohl Neurotizismus als auch Stress bestimmte Veränderungen in Hirnstruktur, Hirnchemie und -funktion mit sich bringen können. Da eine ganz bestimmte Personengruppe mit einem erhöhten Alzheimerrisiko definiert wird, könnten die Ergebnisse von klinischer Relevanz sein.

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