Karieserreger kooperieren mit anderen Mundbakterien

Streptococcus mutans-Bakterien ordnen sich zusammen mit Keimen der normalen Mundflora in kuppelartigen Strukturen auf der Zahnoberfläche an und bilden dort Säuren, die die Zahnsubstanz angreifen
Auf kariösen Zähnen sind Streptococcus mutans-Bakterien (grün) umgeben von einem Ring anderer Streptokokkenarten (rot) und einem äußeren Kranz von Bakterien anderer Gattungen (türkis).
Auf kariösen Zähnen sind Streptococcus mutans-Bakterien (grün) umgeben von einem Ring anderer Streptokokkenarten (rot) und einem äußeren Kranz von Bakterien anderer Gattungen (türkis).
© Dongyeop Kim
Philadelphia / Atlanta (USA) - Um zu verstehen, wie Karies entsteht, genügt es nicht, die Eigenschaften einzelner Arten von Mundbakterien im Labor zu untersuchen. Erst das Zusammenwirken verschiedener Mundkeime in einer speziellen räumlichen Anordnung auf der Zahnoberfläche kann die Zahnsubstanz lokal demineralisieren. So produziert der Karieserreger Streptococcus mutans nur dann große Mengen an zahnzersetzenden Säuren, wenn Populationen dieser Bakterien von ringförmig angeordneten Schichten anderer Bakterienarten umgeben sind, wie amerikanische Forscher herausgefunden haben und in den „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ berichten. Ihre hoch auflösenden mikroskopischen Aufnahmen von Zahnbelägen zeigen erstmals dreidimensionale bakterielle Strukturen, die am Beginn einer Kariesbildung stehen. Die Entwicklung solcher Gebilde zu verhindern, könnte eine Grundlage für neue Therapien sein.

„Die einzelnen Bestandteile des menschlichen Mikrobioms zu identifizieren, reicht nicht aus, um ihren Einfluss auf die Gesundheit zu verstehen“, sagt Marvin Whiteley vom Georgia Institute of Technology in Atlanta. „Wir müssen auch wissen, wie die Mikroben räumlich organisiert sind.“ Das sei bisher nicht genauer geklärt worden, da es schwierig ist, intaktes Untersuchungsmaterial mit noch erhaltenen Strukturen zu entnehmen. Die Forscher untersuchten die Beläge von 30 Zähnen, die Kleinkindern wegen starker Karies gezogen worden waren. Durch Markierung unterschiedlicher Arten von Mundbakterien mit Fluoreszenzfarbstoffen ist es ihnen gelungen, mit Hilfe von konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie die dreidimensionale Anordnung verschiedener Bakteriengruppen sichtbar zu machen.

Auf 21 Zähnen ließen sich Streptococcus mutans-Bakterien in Biofilmen inmitten von Erhebungen auf dem Zahnschmelz nachweisen, jeweils umgeben von mehreren ringförmigen Schichten anderer Streptokokkenarten und weiterer Bakterien der normalen Mundflora. Formgebend für das geordnete bakterielle Arrangement war ein aus Glukoseeinheiten bestehendes Polymer, das vom Karieserreger produziert und freigesetzt wurde und als Gerüstsubstanz diente. Auf Zahnflächen ohne Kariesbefall gab es derartige Gebilde nicht. Um die Funktion der ungewöhnlichen Strukturen aufzuklären, erzeugten die Forscher im Labor mit Streptococcus mutans, Streptococcus oralis und einer Zuckerlösung Biofilme auf menschlichem Zahnschmelz. Dabei bildeten sich tatsächlich bakterielle Ablagerungen, die denen auf den Kinderzähnen entsprachen, wobei die zentral platzierten Karieserreger den darunter liegenden Zahnschmelz stark ansäuerten.

Dieser Befund stehe ganz in Einklang mit den weißen Flecken auf kariösen Zähnen – den Bereichen, an denen Zahnsubstanz herausgelöst wird, sagt Hyun Koo von der University of Pennsylvania in Philadelphia, einer der Leiter des Forscherteams. „Die kuppelförmigen Strukturen könnten erklären, wie die Löcher im Zahn entstehen.“ Der um die Streptococcus mutans-Zone gebildete Ringwall aus Gerüstsubstanz mit eingelagerten anderen Bakterien diente den Karieserregern auch als Schutz vor Antibiotika, wie weitere Laborversuche ergaben. Erst nach enzymatischem Abbau dieser Substanz ließen sich diese Streptokokken durch Einsatz von Antibiotika abtöten.

Die Ergebnisse könnten helfen, Zahnplaques zu beseitigen und die Entwicklung einer Karies schon im Anfangsstadium zu verhindern. Auch andere krankheitsrelevante Biofilme des menschlichen Mikrobioms, die sich aus unterschiedlichen Bakterienarten zusammensetzen, sollten auf vergleichbare räumliche Strukturen untersucht werden. „Bakterien sind ausgesprochen soziale Lebewesen und haben Freunde und Feinde, die ihr Verhalten bestimmen“, sagt Whiteley. Das neue Forschungsfeld der „mikrobiellen Biogeografie“ sei noch jung, könnte aber große medizinische Bedeutung erlangen.

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