Kann ein Parasit Menschen in den Selbstmord treiben?

Studie an Müttern bestätigt: Frauen mit Antikörpern gegen Toxoplasmose versuchen häufiger, sich Gewalt anzutun
Sogenannte Tachyzoiten sind eines der Stadien im Lebenszyklus des Parasiten T. gondii.
Sogenannte Tachyzoiten sind eines der Stadien im Lebenszyklus des Parasiten T. gondii.
© gemeinfrei, US-Behörde
Baltimore (USA) - Ein Befall mit dem Parasiten Toxoplasma gondii könnte die Gefahr erhöhen, Selbstmord begehen zu wollen. Frauen mit Antikörpern gegen diese durch Katzenkot oder rohes Fleisch übertragbare Infektion haben ein erhöhtes Risiko, sich selbst Gewalt anzutun, berichten US-Mediziner im Fachblatt „Archives of General Psychiatry”. Diesen vermuteten Zusammenhang erhärten die Forscher mit den Ergebnissen ihrer umfangreichen Studie mit mehr als 45.000 dänischen Müttern. Eine eindeutige Aussage über Ursache und Wirkung lässt sich anhand ihrer Daten allerdings bislang nicht machen. Dazu benötige es weitere Studien, so die Wissenschaftler.

„Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass T. gondii die Frauen dazu bringt, sich selbst zu töten“, erläutert Teodor T. Postolache vom University of Maryland Medical Center in Baltimore. „Aber wir haben eine vorhersagbare Verbindung zwischen der Infektion und Selbstmordversuchen im späteren Leben gefunden, die zusätzliche Studien erfordert.“ Der Psychiater und seine Kollegen hatten die Daten von insgesamt 45.788 dänischen Frauen analysiert, die zwischen 1992 und 1995 Mutter geworden und deren Neugeborene auf Antikörper gegen die von T. gondii verursachte Toxoplasmose untersucht worden waren. Da Babys in den ersten Lebensmonaten keine eigene Immunreaktion gegen den Parasiten entwickeln, musste die Mutter früher einmal infiziert gewesen sein, wenn die Antikörper bei den Kleinen zu finden waren. Anhand dänischer Gesundheits-Register verfolgten die Forscher, bei welchen der Frauen bis zum Jahr 2006 Selbstmordversuche verzeichnet worden waren – einschließlich sehr gewaltintensiver Versuche, beispielsweise mit Schusswaffen, Klingenwaffen oder einem Sprung aus großer Höhe.

Sie stellten fest: Mütter, die einmal Kontakt mit dem Erreger gehabt hatten, versuchten im Vergleich zu nicht infizierten anderthalb Mal häufiger, sich etwas anzutun. Mit zunehmender Menge Antikörper gegen den Parasiten stieg das Risiko weiter an und für überaus gewaltintensive Selbstmordversuche war es sogar noch größer. Eventuelle psychische Vorerkrankungen hatten keinen Einfluss auf das Ergebnis.

Um mehr über die Ursachen des beobachteten Zusammenhangs herauszufinden, benötige es weitere Studien, sagen die Forscher. „Ist der Selbstmordversuch ein direkter Effekt des Parasiten auf das Gehirn oder eine übermäßige Immunreaktion, die durch den Einfluss des Parasiten auf das Gehirn ausgelöst wird? Wir wissen es nicht“, erklärt Postolache. „In der Tat können wir den umgekehrten ursächlichen Zusammenhang nicht ausschließen, da es ebenso Risikofaktoren für Selbstmordverhalten geben könnte, die Menschen anfälliger für eine Infektion mit T. gondii machen.“ Ließe sich der kausale Zusammenhang herausfinden, so der Psychiater, wären neue Ansätze denkbar für die Einschätzung des Selbstmordrisikos und mögliche Präventionen.

Die von T. gondii verursachte Krankheit heißt Toxoplasmose und äußert sich durch grippeähnliche Symptome wie Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen. Der Parasit verbreitet sich in Hirn und Muskelgewebe und überdauert in Form von Zysten. Oftmals verläuft eine Infektion allerdings völlig unbemerkt. Während einer Schwangerschaft gilt sie jedoch durchaus als bedrohlich, weil der Parasit direkt auf das Ungeborene übergehen kann. Darum sollen Schwangere beispielsweise auch nicht die Katzentoilette säubern und nicht durchgegartes Fleisch meiden. Auch eine Infektion über ungewaschenes Gemüse oder kontaminiertes Wasser ist möglich. Hat man allerdings einmal im Leben die Infektion gehabt, ist auch der Fötus durch die mütterlichen Antikörper geschützt.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Toxoplasma gondii Infection and Self-directed Violence in Mothers”, Marianne G. Pedersen, Teodor T. Postolache et al.; Archives of General Psychiatry, DOI:10.1001/archgenpsychiatry.2012.668


 

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