Gesunde Darmflora: Manche Keime wirken stärker als andere

Auch geringe Keimzahlen einzelner Bakterienarten können starke positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben
Ein geringer Anteil entzündungsdämpfender Darmkeime (blau) kann die entzündungsfördernde Wirkung anderer, in Überzahl vorhandener Bakterien (rot) blockieren.
Ein geringer Anteil entzündungsdämpfender Darmkeime (blau) kann die entzündungsfördernde Wirkung anderer, in Überzahl vorhandener Bakterien (rot) blockieren.
© Annah S. Rolig
Eugene (USA) - Bestimmte Typen von Darmkeimen haben einen großen Einfluss auf die Gesundheit ihres Wirtes – selbst wenn sie nur in geringer Zahl vorhanden sind. Das schließen amerikanische Biologen aus ihren Experimenten mit keimfrei aufgewachsenen Zebrafischen. Sie untersuchten, wie das Immunsystem auf einzelne Arten von Darmbakterien reagiert. Dazu übertrugen sie entweder nur eine Mikrobenart oder aber ein Gemisch weniger Spezies in den zunächst sterilen Darm der Fische. Bakterien der Gattung Shewanella, die nur einen geringen prozentualen Anteil der gesamten Darmkeime ausmachten, hatten dabei einen starken entzündungshemmenden Effekt. Dieser neutralisierte die Wirkung einer Überzahl anderer Bakterien, die Entzündungen auslösten, schreiben die Forscher im Fachblatt „Cell Host & Microbe”. Ähnliche Untersuchungen der menschlichen Darmflora könnten helfen, neue Methoden der Diagnose und Therapie zu entwickeln.

„Unsere Arbeit liefert ein Modell, das Voraussagen darüber ermöglicht, wie das Wirt-Mikroben-Ökosystem funktioniert“, sagt Karen Guillemin von der University of Oregon in Eugene. Bisher hätten sich Analysen der Darmflora überwiegend auf die prozentual vorherrschenden Anteile verschiedener Gruppen von Bakterien konzentriert. Aus Unterschieden im Keimspektrum zwischen gesunden und kranken Menschen erhofft man sich Hinweise auf die Ursachen entzündlicher Darmerkrankungen und anderer Krankheiten. Doch jetzt zeige sich, dass es eher auf ganz bestimmte Schlüssel-Spezies ankommt, die selbst in geringer Keimzahl einen großen Einfluss haben können, sagt Erstautorin Annah Rolig. „Der Effekt pro Bakterienzelle ist nicht für alle Spezies gleich.“

Die Biologen übertrugen Bakterien unterschiedlicher Arten, die auch natürlicherweise den Darm von Zebrafischen besiedeln, in den Darm keimfreier Tiere. Als alleiniger Darmbewohner aktivierten Bakterien der Gattung Vibrio zahlreiche Immunzellen und verursachten eine starke Entzündung. Bestand die Darmflora aber zu 90 Prozent aus Vibrionen und zu 10 Prozent aus Shewanella-Bakterien, blieben diese Reaktionen aus. Die Shewanella-Keime setzten noch nicht identifizierte Wirkstoffe frei, die Entzündungsreaktionen dämpften. Solche für die Darmgesundheit entscheidenden Bakterienarten gebe es auch beim Menschen, schreiben die Autoren. Ihr Fehlen könnte eine Ursache von Krankheiten sein, zu denen nicht nur chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, sondern auch Diabetes und Fettleibigkeit zählen. Wenn es gelingt, diese Schlüssel-Keime der menschlichen Darmflora zu identifizieren, wäre eine Behandlung mit den entsprechenden „probiotischen“ Bakterien möglich. Andere Untersuchungen hätten ergeben, so die Forscher, dass zum Beispiel der Darmkeim Faecalibacterium prausnitzii zwar nur fünf Prozent der Darmkeime gesunder Menschen ausmache. Doch diese Bakterien blockieren entzündungsfördernde Botenstoffe und senken das Risiko einer Colitis.

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