Einsamkeit ist ansteckend

Menschen, die einsam sind, geben dieses Gefühl an andere weiter
Chicago (USA) - Menschen, die auf dem Weg der Vereinsamung sind, geben ihre Einsamkeit weiter wie eine Grippe. Dies fanden amerikanische Forscher beim Auswerten der Daten einer Langzeitstudie heraus. Der Ansteckungseffekt liege wohl zum einen daran, dass diese Menschen mit der Zeit immer weniger beziehungsfähig werden, erläutern die Forscher im "Journal of Personality and Social Psychology". Zum anderen halten sich aber auch andere Menschen eher von ihnen fern.

"Wir haben ein außerordentiches Muster der Ansteckung entdeckt, durch das Leute an die Ecken des sozialen Netzwerks bewegt werden, sobald sie einsam werden", erklärt John Cacioppo von der University of Chicago. "An den Rändern der sozialen Netzwerke haben die Menschen weniger Freunde, also führt ihre Einsamkeit dazu, auch noch die wenigen Verbindungen zu verlieren, die ihnen geblieben waren."

Cacioppo und seine Kollegen werteten Daten aus der so genannten Framingham Heart Study aus, die seit 1948 die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht. Ursprünglich nahmen mehr als 5.200 Menschen an dieser Studie teil. Heute sind es, unter Einbeziehung ihrer Kinder und Enkel, rund 12.000. Mittlerweile werden in der Framingham Heart Study auch Tests für Einsamkeit und Depressionen eingesetzt. Alle zwei bis vier Jahre nehmen die in diese Studie involvierten Forscher persönlichen Kontakt zu den Studienteilnehmern auf und erheben die neuesten Daten.

Die Forscher fanden nun heraus, dass sich Einsamkeit auf ähnliche Weise verbreite wie Infektionen und man insofern durchaus von Ansteckung sprechen könne. Wenn man Einsamkeit zum Beispiel daran festmacht, an wie vielen Tagen in der Woche jemand Kontakt zu seinen näheren Mitmenschen hat, dann ist jeder Tag, der ohne Sozialkontakte verbracht wird, ein weiterer Schritt zur Einsamkeit. Leben beispielsweise zwei alleinstehende Menschen Tür an Tür, wobei jeder erlebt, dass es pro Woche durchschnittlich einen weiteren Tag ohne Sozialkontakte gibt, dann führt dies auch zu einer Abnahme der persönlichen Beziehungen dieser beiden Nachbarn. Die zunehmende Einsamkeit eines jeden der beiden Nachbarn führt dazu, dass die beiden, die vielleicht früher einmal gute Bekannte oder gar Freunde waren, weniger Zeit miteinander verbringen. Das liegt zum einen daran, dass Menschen auf dem Weg in die Vereinsamung auch misstrauischer gegenüber anderen Menschen werden. Dadurch werden sie immer weniger fähig, Beziehungen zu anderen aufzubauen oder aufrechtzuerhalten. Zum anderen gibt es aber auch einen gesellschaftlichen Mechanismus, sich vor Menschen, die einsam sind, abzuschotten. Auch hier ist die Ähnlichkeit mit einer ansteckenden Krankheit gegeben. Mit Menschen, die einsam sind, will keiner etwas zu tun haben. Dadurch werden diese Menschen natürlich noch einsamer. Ein Teufelskreis.

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Quelle: "Alone in the Crowd. The Structure and Spread of Loneliness in a Large Social Network", John Cacioppo et al.; Journal of Personality and Social Psychology, Dezember 2009


 

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