Bisphenol A macht weniger männlich und weniger anziehend

Die umstrittene Chemikalie lässt Mäusemännchen unattraktiver für das andere Geschlecht werden
Columbia (USA) - Die bedenkliche chemische Verbindung Bisphenol A könnte den Fortpflanzungserfolg von Männern schmälern. Zumindest bei Mäusen haben US-amerikanische Forscher eindeutige Hinweise darauf gefunden: Männliche Hirschmäuse, die dem Stoff im Mutterleib und als Säugling ausgesetzt waren, waren weniger beliebt bei den Weibchen. Außerdem taten sie sich deutlich schwerer, den richtigen Weg durch einen Irrgarten zu finden - eine Fähigkeit, die sie in ähnlicher Weise auch bei der Partnersuche benötigen. Auch wenn die Untersuchung an Mäusen durchgeführt wurde, sind ähnliche Effekte bei anderen Spezies nicht auszuschließen, berichten die Forscher im Fachblatt "PNAS" (doi: 10.1073/pnas.1107958108). Dabei könnten geschlechtspezifische Eigenschaften besonders anfällig für die Wirkung solcher Chemikalien sein. Bisphenol A steht im Verdacht, schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben - Babyflaschen zum Beispiel dürfen ihn nicht enthalten. Der Stoff findet Verwendung bei der Herstellung von Kunststoffen, aus denen unter anderem viele Alltagsgegenstände produziert werden. Darunter befinden sich etwa Verpackungsmaterialien, über die auch zahlreiche Lebensmittel in Kontakt mit der Chemikalie gelangen können.

"Diese Ergebnisse haben vermutlich weitreichende Bedeutung auch für andere Spezies, einschließlich des Menschen, bei denen es bei Denk- und Verhaltensmustern ebenfalls angeborene Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen gibt", erklärt Cheryl Rosenfeld von der University of Missouri, Columbia. Auf lange Sicht könnten solche Verhaltensdefizite die Fähigkeit einer Art wie der Hirschmaus schwächen, sich in freier Wildbahn fortzupflanzen. "Ob es vergleichbare Gesundheitsrisiken für den Menschen gibt, bleibt unklar, aber es bestehen sicherlich Bedenken", sagt Rosenfeld. Die Forscher hatten Hirschmausjunge schon im Mutterleib in Kontakt mit Bisphenol A gebracht, indem sie das Futter der werdenden und später säugenden Mütter mit dem Stoff versetzten. Die Dosis entsprach dabei allerdings Mengen, die im Bezug auf das Körpergewicht als nicht schädlich eingestuft werden. Das Futter, das sie nach der Entwöhnung bekamen, enthielt die Chemikalie dann nicht mehr.

Orientierungslos und unattraktiv durch Bisphenol A

Mit den just erwachsenen Nagern führten die Forscher schließlich einige Verhaltensexperimente durch. Bei weiblichen Mäusen konnten Rosenfeld und ihre Kollegen keine Unterschiede zwischen Nagern mit und ohne Kontakt zu Bisphenol A in der Entwicklungszeit feststellen - anders bei den Männchen. So testeten sie deren Fähigkeit, zuverlässig den Weg durch einen Irrgarten in eine sichere Zuflucht zu finden. Viele der Hirschmausmännchen, die in ihrer frühen Entwicklung Bisphenol A ausgesetzt waren, lernten es gar nicht, sicher den richtigen Ausgang zu finden. Artgenossen, die keinen Kontakt zu der Chemikalie gehabt hatten, lernten dies dagegen schnell. Bei der Partnersuche in freier Wildbahn brauchen Mäusemännchen diese Fertigkeit der räumlichen Navigation durch ihre Umgebung, um möglichst schnell und sicher ein Weibchen finden zu können. Weibchen dagegen sind nicht so sehr auf diese Fähigkeit angewiesen, da sie sich finden lassen.

In weiteren Versuchen, in denen die Forscher Männchen und Weibchen aufeinander treffen ließen, beobachteten sie zudem: Männchen, die Kontakt mit Bisphenol A gehabt hatten, weckten weniger Interesse beim anderen Geschlecht. Die Weibchen bevorzugten Artgenossen, die ohne Kontakt zu der Chemikalie aufgewachsen waren. "Die Hirschmäuse, die in unserer Studie Bisphenol A ausgesetzt waren, sahen völlig normal aus. Da ist nichts, was mit ihnen nicht in Ordnung wäre", sagt Rosenfeld. "Trotzdem sind sie eindeutig anders."

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Disruption of adult expression of sexually selected traits by developmental exposure to bisphenol A", Cheryl S. Rosenfeld et al.; PNAS (doi/10.1073/pnas.1107958108)


 

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