Autismus verrät sich beim Schnuppern

Kinder mit autistischen Störungen unterscheiden beim Atmen weniger zwischen Duft und Gestank
Rehovot (Israel) - Wer einen angenehmen Duft riecht, schnuppert gerne besonders intensiv danach, versucht, ihn förmlich einzusaugen. Ein übler Gestank dagegen führt instinktiv dazu, dass man schleunigst möglichst wenig durch die Nase atmet. Kinder mit einer autistischen Störung aber reagieren anders auf Duft und Gestank als Altersgenossen, die sich normal entwickeln. Sie machen beim Schnuppern keinen derart deutlichen Unterschied zwischen angenehmen und abstoßenden Gerüchen, haben israelische Neurobiologen in einer kleinen Studie beobachtet. Anhand der Reaktionen der Kinder auf unterschiedliche Aromen konnten sie sogar erkennen, ob eine autistische Störung vorliegt oder nicht, berichten sie im Fachblatt „Current Biology”. Die Genauigkeit dabei lag bei 81 Prozent. Die Ergebnisse ihres Experimentes, so hoffen die Forscher, könnten womöglich die Grundlage für eine schnelle und einfache Diagnose von Autismus bieten.

„Der Unterschied im Muster des Schnupperns zwischen den Kindern, die sich typisch entwickeln, und denen mit Autismus war einfach überwältigend”, erzählt Seniorautor Noam Sobel vom Weizmann Institute of Science. „Wir können Autismus und seinen Schweregrad in weniger als zehn Minuten mit einer aussagekräftigen Genauigkeit identifizieren, indem wir einen Test nutzen, der völlig ohne Worte und Aufgabenstellungen auskommt.” Das mache Hoffnung, dass die Ergebnisse eine Basis für die Entwicklung eines diagnostischen Mittels liefern können, das bereits sehr früh angewandt werden kann – bei Kleinkindern im Alter von wenigen Monaten. „Eine so frühe Diagnose würde ein effektiveres Einschreiten erlauben.”

Aus früheren Untersuchungen gibt es Hinweise darauf, dass bei Autismus bestimmte Hirnmechanismen beeinträchtigt sind, die eine Rolle bei der reibungslosen Koordination von Sinneswahrnehmungen und entsprechenden Handlungen spielen. Daher hatten die Forscher bei jeweils 18 gesunden und autistischen Kindern im Alter zwischen vier und elf Jahren beobachtet, wie diese auf unterschiedliche Gerüche reagieren. In einem zehnminütigen Experiment präsentierten sie den Kindern für gewöhnlich als angenehm empfundene Gerüche – Rosen- oder Shampooduft – sowie eindeutig unangenehme – den Gestank von saurer Milch oder verdorbenem Fisch. Über Nasenkanülen verabreichten die Neurobiologen einerseits den Geruch und maßen andererseits den Luftstrom in der Nase, also das Schnuppern.

Sie stellten fest: Gesunde Kinder passten ihr Schnuppern innerhalb von Sekundenbruchteilen an die Art des verabreichten Geruches an. Doch bei autistischen Kindern geschah das nicht. Sogar das Ausmaß der sozialen Beeinträchtigung ließ sich anhand der Reaktion bestimmen: Je mehr die Reaktion von der Norm abwich, desto stärker waren auch die sozialen Beeinträchtigungen, welche die autistischen Kinder zeigten. Mit dem Ausmaß motorischer Beeinträchtigungen ließ sich dagegen kein Zusammenhang herstellen. Noch gilt es laut Sobel grundsätzlich zu klären, ob eine Störung der olfaktorischen Wahrnehmung essenziell mit den für Autismus charakteristischen Einschränkungen im sozialen Verhalten einhergeht.

In seinem momentanen Aufbau ist der Test noch nicht geeignet für die klinische Praxis. Zunächst wollen die Neurobiologen noch untersuchen, ob das beobachtete Schnupper-Muster spezifisch für Autismus ist oder auch noch bei anderen Störungen auftritt, bei denen die neurologische Entwicklung nicht normal verläuft. Außerdem möchten sie noch herausfinden, ab welchem Kindesalter sich ein solches Testverfahren für die Diagnose eignen würde.

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