Unterschätzt: Mehr Todesopfer durch Schlangenbisse
"Menschen sterben in ihren Dörfern, ohne das Gesundheitssystem zu 'belasten'", erläuterte Ulrich Kuch vom Forschungszentrum Biodiversität und Klima in Frankfurt. "Sie tauchen in den Statistiken einfach nicht auf." So ergab etwa eine Studie aus Bangladesch, dass sich nur drei Prozent der Behandelten unmittelbar nach dem Vorfall zu einem Arzt oder in ein Krankenhaus begaben. Dagegen suchten 86 Prozent zunächst traditionelle Hilfe, etwa bei einem Schlangenbeschwörer. Und auch bisherige Zahlen aus Bangladesch sind fraglich, denn aktuelle Untersuchungen kommen auf 700.000 Schlangenbisse und 6.000 Todesfälle im Jahr und liegen somit deutlich höher als bisherige Schätzungen. Eine Erhebung aus Indien zeigt ebenfalls, dass dortzulande weit mehr Menschen an Schlangenbissen sterben als die offizielle Zahl von jährlich 2.000 Todesopfern vermuten lassen könnte: rund 46.000. "Im 21. Jahrhundert sind Schlangenbisse die wohl am meisten vernachlässigte aller vernachlässigten tropischen Krankheiten", sagte David Warrell, ehemaliger Professor für Tropenmedizin an der britischen University of Oxford.
Doch auch mögliche Mittel im Kampf gegen fatale Folgen von Schlangenbissen erläuterten die Forscher auf dem Symposium. So arbeitet ein Programm im Südosten Nepals mit freiwilligen Motorradfahrern, die sich und ihr Fahrzeug für schnelle Notfalltransporte in entsprechende Behandlungszentren zur Verfügung stellen. Der innovative Ansatz zeigt Wirkung. Die Todesrate ging im Vergleich zu anderen untersuchten Gegenden von 10,5 auf 0,5 Prozent zurück. Die hilfreiche Idee soll auf weitere Regionen ausgeweitet werden.
Außerdem präsentierten Forscher vielversprechende Daten zu besseren und schnelleren Diagnosetests, mit deren Hilfe die Art der Vergiftung und das passende Gegengift rascher erkannt werden sollen. Bisher wartet man oft auf erste Symptome und entscheidet erst dann, weil das falsche Gegenmittel ernste Nebenwirkungen haben könnte. Dann ist es häufig aber schon zu spät, manche irreversiblen Schäden noch zu verhindern. Mithilfe der effektiven Tests, die auch in ländlicher Umgebung einfach einzusetzen sind, könnten Ärzte schnell und angemessen reagieren, bevor Patienten ernsthafte Schäden davon tragen oder gar sterben. Darüber hinaus ist die Entwicklung preiswerterer Gegengifte ein weiteres Ziel aktueller Forschung. Effektive Gegengifte sind bisher rar oder in manchen Teilen der Welt gar nicht vorhanden oder extrem teuer.