Sexuelle Erregung unterdrückt Ekel
„Im Allgemeinen werden mit sexuellen Begegnungen verbundene Reize als hochgradig abstoßend wahrgenommen“, schreiben Charmaine Borg und Peter J. de Jong von der Universität Groningen. „Speichel, Schweiß, Samenflüssigkeit und Körpergeruch gehören zu den stärksten Auslösern von Ekel. Dies führt zu der faszinierenden Frage, wie man es überhaupt schafft, Spaß am Sex zu haben.“ Eine mögliche Erklärung des Phänomens, das schon Sigmund Freund beschäftigte, ist, dass der sexuelle Ansporn zeitweise die ekelerregenden Eigenschaften bestimmter Reize reduziert oder zumindest Hemmungen schwächt, sich solchen abstoßenden Reizen trotzdem zu stellen.
Borg und de Jong gingen der Fragestellung nach, indem sie 90 Studentinnen einer von drei Gruppen zuwiesen. Während 30 Probandinnen einen sexuell erregenden Film sahen, bekamen 30 andere einen positiv aufputschenden Film mit Extremsport-Szenen präsentiert. Die verbliebenen 30 dienten als Vergleichsgruppe und sahen einen neutralen Film mit einer Zugfahrt und Landschaftsszenen. Nach dem Film stellten die Psychologen die Probandinnen vor 16 unterschiedliche, ekelerregende Aufgaben. Zum Beispiel sollten sie aus einer Tasse trinken, in der ein Insekt schwamm, oder sich an einem benutzten Taschentuch die Hände abwischen – das Insekt war aus Plastik und das Taschentuch lediglich gefärbt, das wussten die Versuchsteilnehmerinnen aber nicht. Sie durften die Ausführung der Aufgabe selbstverständlich auch verweigern. Dabei untersuchten die Psychologen einerseits, welche Gefühle ausgelöst wurden und ob sich sexuelle oder positive Erregung auf das Ekelempfinden auswirkten. Andererseits testeten sie, ob es der Erregungszustand auch erleichterte, die Aufgaben sogar auszuführen.
Tatsächlich stuften sexuell erregte Teilnehmerinnen die abstoßenden Aufgaben als weniger ekelerregend ein als die Frauen aus den anderen beiden Gruppen. Das galt sowohl für solche mit sexuellem Bezug als auch für nicht-sexuelle Ekel-Reize. Außerdem zeigten Probandinnen unter sexueller Erregung auch weniger Vermeidungsverhalten: Studentinnen aus dieser Gruppe führten die Aufgaben am häufigsten aus. Ihre Ergebnisse zeigen, fassen Borg und de Jong zusammen, dass das Zusammenspiel zwischen sexueller Erregung und Ekel über das bloße Empfinden hinausgeht. Auch die Hemmschwelle, sich dem abstoßenden Reiz zu stellen, wird herabgesetzt.