Schutz vor Allergien entwickelt sich bereits im Mutterleib

Das Immunsystem trächtiger Mäuse reagiert auf Viehstallbakterien so, dass der Nachwuchs weniger anfällig für Asthma wird
Marburg - Nach der Hygiene-Hypothese schützt der Kontakt des Kleinkinds mit Schmutz und Umweltkeimen vor der Entwicklung von Allergien. Tierversuche deutscher Forscher lassen nun darauf schließen, dass bereits das ungeborene Kind davon profitieren könnte, wenn das Immunsystem der Mutter während der Schwangerschaft durch harmlose Bakterien angeregt wurde. Wenn trächtigen Mäusen mehrfach eine Lösung mit Bakterien in die Nase getropft wurde, war der Nachwuchs weniger anfällig für Asthma. Der Kontakt mit den Bakterien löste Reaktionen der angeborenen Immunantwort aus, die auf noch unbekannte Weise einen Allergieschutz auf das Ungeborene übertrugen, berichten die Wissenschaftler im "Journal of Experimental Medicine".

"Unsere Ergebnisse liefern ein starkes Argument zugunsten der Hygiene-Hypothese und zeigen, wie vorgeburtliche Asthmaschutzeffekte von der Mutter auf die Nachkommen übertragen werden", schreiben Harald Renz von der Phillips-Universität Marburg und seine Kollegen. Die Forscher verabreichten trächtigen Mäusen dreimal pro Woche über die Nase Acinetobacter lwoffii-Bakterien - harmlose Umweltkeime, die häufig im Staub von Viehställen enthalten sind. Die Behandlung löste leichte Entzündungsreaktionen aus. Dabei bildeten zum einen die Lungenzellen verstärkt so genannte Toll-like Rezeptoren (TLRs), deren Funktion es ist, eindringende Bakterien zu erkennen und die Immunabwehr zu aktivieren. Die TLR-Bildung in der Plazenta wurde dagegen unterdrückt. Zum anderen stieg die Produktion von Immunbotenstoffen, den Zytokinen, an und erhöhte deren Spiegel im Blut. Der Nachwuchs dieser Mäuse war weniger anfällig für experimentell erzeugtes Asthma als der von unbehandelten Kontrolltieren.

Offenbar erzeugt der Kontakt von Bakterien mit den Schleimhäuten der Atemwege Signale, die als "immunologisches Äquivalent eines Schlaflieds" auf das Plazentagewebe einwirken und dort die Aktivität der angeborenen Immunreaktionen dämpfen, schreiben Patrick Holt und Deborah Strickland von der University of Western Australia in Perth in einem begleitenden Kommentar. Bei Knockout-Mäusen, die keine TLRs mehr bilden konnten, trat dieser Effekt nicht ein. Auf welche Weise die Rezeptoren an der Vermittlung des Allergieschutzes auf das Ungeborene beteiligt sind, ist noch nicht bekannt. Noch ungeklärt ist auch, auf welche Allergieformen sich ein so erzielter Schutz erstrecken kann. Die Forscher halten es für möglich, dass ihre weiteren Forschungen dazu beitragen könnten, Vorsorgemaßnahmen gegen Allergien und Asthma zu entwickeln.

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Quelle: "Maternal TLR signaling is required for prenatal asthma protection by the nonpathogenic microbe Acinetobacter lwoffii F78", Melanie L. Conrad et al., Journal of Experimental Medicine, Online-Publikation, doi:10.1084/jem.20090845
"Soothing signals: transplacental transmission of resistance to asthma and allergy", Patrick G. Holt and Deborah H. Strickland, Journal of Experimental Medicine, Online-Publikation, doi:10.1084/jem.20092469


 

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