Rätselhafte altägyptische Pseudo-Inschriften

Im alten Ägypten gab es die Hieroglyphen, die hieratische Schrift und - bis heute rätselhafte Pseudo-Inschriften. Ein niederländischer Forscher arbeitet an ihrer Entschlüsselung und hat erste Lösungsansätze erarbeitet
Beispiel für eine altägyptische Pseudo-Inschrift
Beispiel für eine altägyptische Pseudo-Inschrift
© Courtesy of Ben Haring
Leiden (Niederlande) - Die alten Ägypter hatten mit ihren Hieroglyphen eine der ätesten Schriften der Welt. Für Texte, die nicht in Stein gemeißelt wurden, sondern mit einem Pinsel auf Papyri oder Ostraka (Tonscherben) aufgetragen wurden, hatte sich die hieratische Schrift entwickelt. Doch daneben gab es, mindestens ab dem Neuen Königreich, noch eine dritte, bis heute rätselhafte Schriftart, die sich auf Ostraka befinden, die vor allem auf Baustellen großer Nekropolen entdeckt wurden. Ein niederländischer Forscher schlägt jetzt eine neue Deutung vor. Demnach handelt es sich weder um eine Vorform von Schrift noch um Schreibversuche von ungeübten Schreibern noch um Produktkennzeichnungen, sondern um ein System von Pseudo-Inschriften, mit denen auf Baustellen die Dienstpläne der Arbeiter erstellt wurden.

Über 160 Ostraka mit Pseudo-Inschriften hat Ben Haring von der Universiteit Leiden analysiert. Sie stammen aus den Baustellen zur Errichtung von königlichen Grabstätten im Neuen Königreich. Dies sind aber nicht alle Vorkommnisse, die überhaupt entdeckt wurden. Haring kennt noch mindestens 40 weitere und es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch weit mehr gibt. Die ältesten bekannten Pseudo-Inschriften lassen sich bis zum Beginn des Neuen Reiches (um 1550 vor Christus) datieren, die jüngsten stammen aus dem 12. Jahrhundert vor Chtristus. Es könnten aber noch ältere und noch jüngere existieren.

Die Ostraka mit den Pseudo-Inschriften sind schon seit Längerem bekannt, doch bisher eher vernachlässigt worden. Die bisherigen Deutungen der Zeichen als ein Markierungssystem für Steinblöcke oder für Schiffe und ihre Fracht oder zur Kennzeichnung des Eigentums an Haushaltsgegenständen haben sich als nicht haltbar erwiesen. Haring hat die Ostraka mit den Pseudo-Inschriften nach Zeichenmustern geordnet. Dabei ergaben sich von einigen Arten Häufungen, während andere nur vereinzelt auftraten. Vor allem die Gruppen 12 und 13 - zusammen 29 Ostraka - bestehen aus Spalten von Daten, die mit einem hieroglyphischen oder hieratischen "s" (für "sw", was 'Tag' bedeutet) beginnen. Dann folgt eine hieratische Zahl und dann eine Pseudo-Inschrift. Es könnte sich hierbei um Dienstpläne der Bauarbeiter aus Deir el-Medina und aus dem Tal der Könige handeln, die gleichzeitig aufführen, wie viele Arbeiter überhaupt im Einsatz sind und für wie viele also Lebensmittel bereitgestellt werden müssen. Dennoch bleiben noch viele Fragen ungeklärt, nicht zuletzt, weil die Zeichen auf den Ostraka sehr unterschiedlich angeordnet sind und auch längst nicht alle Pseudo-Inschriften hieratische Zeichen neben sich haben. Haring bekam für sein Forschungsprojekt "Symbolizing Identity; Identity marks and their relation to writing in New Kingdom Egypt" Fördergelder von der "Nederlandse Organisatie voor Wetenschapelijk Onderzoek" (NWO). Mit dieser Unterstützung wird es vielleicht möglich, die Bedeutung der Zeichen dem Vergessen zu entreißen.

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Quelle: Universiteit Leiden


 

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