Rätselhafte Steinzeit-Äxte in Eisenzeit-Gräbern

Weshalb enthalten skandinavischen Gräber aus der Eisenzeit immer wieder Äxte aus der Steinzeit? Forscher wagen jetzt eine erste Erklärung für diese unerwartete Vermischung von Objekten aus ganz unterschiedlichen Zeiten
Stavanger (Norwegen) - Es mag heute vorkommen, dass Verstorbenen ihr Lieblingstaschenmesser mit ins Grab gegeben wird - doch selten wohl Dolche aus der Römerzeit. Vor allem geschieht so etwas nicht regelmäßig. Doch in Skandinavien entdeckten Forscher nun mehrfach: In Gräbern aus der späten Eisenzeit - 600 bis 1000 nach Christus - fanden sich Feuerstein-Äxte aus der Steinzeit. Da mehrere Funde dieser Art kein Zufall mehr sein können, vermuten die Archäologen, dass die Steinzeit-Äxte den Menschen der Eisenzeit als eine Art Schutzzauber galten.

"Wenn man etwas einmal findet, ist es ein Zufall, wenn man etwas zweimal findet, ist es merkwürdig und findet man es dreimal, ist ein System dahinter", sagen Olle Hemdorff von der Universitet i Stavanger und seine deutsche Kollegin Eva Thäte, zurzeit Gastforscherin in England und Norwegen. Die Archäologen fanden in Avaldsnes in Norwegen und anderen Orten in Gräbern aus der Eisenzeit neben typischen eisenzeitlichen Grabbeigaben auch Steinäxte, die mindestens mehrere Jahrhunderte älter waren als die eisenzeitlichen Gegenstände wie zum Beispiel Glasperlen in Gräbern von Frauen. Die Steinzeit dauerte in Skandinavien bis um die Zeitenwende. Einige der Gräber waren geplündert worden, was bis bis Ende des 19. Jahrhunderts sogar legal war. Erst 1905 kam das Verbot für archäologische Amateure, selbst Ausgrabungen zu unternehmen. Und dann dauerte es noch bis etwa 1970, bis Facharchäologen überhaupt auffiel, was in diesen Gräbern alles zusammen lag. Dennoch gibt es in Norwegen und Schweden einige Grabstätten, die bis jetzt unberührt waren und die dennoch Steinäxte enthielten.

"Die Äxte müssen mit Absicht in die Gräber gelegt worden sein", sagt Hemdorff. "Andere Funde in Skandinavien machen dieses Muster noch deutlicher. In Halland in Schweden fand man eine Grabanlage, die fast hundert Gräber aus der Eisenzeit enthielt. Dort entdeckte man Feuerstein-Gegenstände in nahezu jedem Grab." Die Forscher gehen davon aus, dass die Menschen der Eisenzeit durchaus eine bewusste Beziehung zu den Dingen aus einer auch schon für sie entfernten Vergangenheit hatten. "Dass man alte Grabhügel für neue Gräber nutzte, ist ein Indikator für eine solche Beziehung", sagt Thäte. Bei den Steinäxten könnte zudem Aberglaube eine Rolle gespielt haben. "Die Menschen glaubten etwa, dass der Blitz Donnersteine schaffe und dass Menschen, die Feuersteine besaßen, nicht vom Blitz getroffen würden", erklärt Hemdorff. In Nordeuropa gab es zudem den uralten Mythos vom Donnergott Thor, der mit seinem Hammer die Götter und Menschen schützen sollte. "Beides, die Form der Axt und die Feuersteine zum Feuermachen sind verbunden mit der Fruchtbarkeit", sagt Thäte. "Thors Hammer ist ganz klar mit Fruchtbarkeit und Wohlstand verbunden. Der Hammer ist ein Phallus, der die Erde befruchtet, was ihm eine Unheil verhindernde Wirkung verleiht."

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Quelle: Universitet i Stavanger


 

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